Zeitungsromantik

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Seit Jahren kursiert das Wort Zeitungssterben durch die Medien, die Auflagen gehen zurück, scheinbar liest man heutzutage keine Zeitungen mehr. Zumindest nicht im klassischen Sinn, denn an die Stelle der gedruckten Version liest man Zeitung vermehrt digital. Das hat auch seine Berechtigung, wenn denn das Angebot und auch die Qualität stimmt. Doch der Leser von heute ist nicht mehr der Leser von gestern. Im Kommunikationszeitalter muss Information ständig vorhanden sein, die Information muss sich dem Leser oder dem User förmlich aufdrängen, man soll nicht mehr dazu gezwungen werden, Information zu suchen, sondern ohne Probleme auf Nachrichten stoßen. Klingt prinzipiell auch nicht schlecht, ich persönlich finde soziale Plattformen wie Twitter unglaublich spannend, besser gesagt bereichernd. 140 Zeichen reichen meist damit das Wichtigste gesagt ist, allerdings verursachen diese 140 Zeichen auch eine neue Hektik in der Informationskultur. Es wird nahezu alles gepostet was nur im entferntesten Sinn als wichtig erscheint und die eigentliche Krux, die wirklich wichtige Nachricht bleibt verborgen. Der Leser von heute muss und will immer alles wissen, die Vorstellung etwas nicht sofort zu wissen, zu sehen kann Menschen in den Wahnsinn treiben, denn: Zeit ist Geld.
Geld kostet eine Printzeitung, viele Leute sehen nicht mehr ein bzw. können sich gar nicht vorstellen für Information Geld zu zahlen (hier sei vielleicht der Vergleich mit der Musikindustrie angebracht: Warum für Musik zahlen, wenn ich mir im Internet fast alles „gratis“ downloaden kann?). Ich bin da ein bisschen anders sowohl in der Musikbranche (es lebe die Schallplatte) als auch in der Informationskultur bevorzuge ich die „echte, reale“ Ausgabe, die Haptik darf gegeben sein. Aber auch an mir geht das „Zeitungssterben“ nicht spurlos vorüber, ich bin an ein Dilemma gestoßen: Vor geraumer Zeit schloss ich ein Abo mit einer Tageszeitung ab, ach was hab ich mich jeden Morgen auf die Zeitung gefreut, auf das Lesen, das Verschlingen der Information, die Grafiken, die Kommentare, einfach nur auf die Zeit die ich mir nehme um Zeitung zu lesen. Ab diesem Zeitpunkt kann man vermutlich von einem Zeitungsromantiker sprechen. Das ging dann auch eine Weile ganz gut, jedoch musste ich nach einem Jahr erkennen, dass ich die meisten Artikel der morgigen Ausgabe heute schon online gelesen habe und ich mich somit um all die genannten –ich nenn es jetzt Erlebnisse- selbst betrog. Ich habe versucht mein Leseverhalten zu beeinflussen, wollte Abstand von der ständigen Informationsflut nehmen, konnte aber nicht widerstehen und kündigte schließlich mein Abo. So bliebt mir noch meine Wochenzeitung (Donnerstag ist mein Feiertag) und meine Monatszeitungen die ich mit Vergnügen kaufe. Denn gute Information darf Geld kosten.
Mir stößt es allerdings auf wenn mir in der Timeline Information versprochen wird und mir beim Öffnen des Links nichts weiter als regelrechter Schrott geboten wird. Ganze Absätze bestehen aus Sätzen, gebildet aus zwei bis fünf Wörtern, Recherche bleibt das größte Fremdwort, versprochener Hintergrund wird in leeren Phrasen verkauft. Mir kommt vor, der Journalismus, der sogenannte Qualitätsjournalismus verkommt zum Boulevardjournalismus und niemanden stört es. Ganze Artikel und Blogs werden geschrieben und verkauft in denen nur reinster Müll zu finden ist. Das ist kein Journalismus, das ist reinste Zeitverschwendung, eine regelrechte Farce. Sicher, man könnte mir entgegnen ich muss nicht auf den Link klicken, aber wenn mir etwas als „atemberaubend“ , unglaublich „seriös“ verkauft wird, bin ich zu neugierig um es einfach ignorieren zu können. Es stellt sich also heraus das vieles von dem Geschriebenen nicht einmal ein Artikel ist, sondern einfach eine halbgegorene Geschichte, die aber auch nicht als solche geschrieben ist, sondern einfach nur da ist, damit etwas da ist. Tut mir Leid, ich kann es leider nicht anders beschreiben. Es wird also gefressen was auf den Tisch kommt, wo keine Ansätze zum Hinterfragen sind, kann auch nicht reflektiert werden.
Die angehenden Lehrer haben schon beim Aufnahmetest für das Studium Probleme mit der deutschen Sprache und das Zeitungssterben geht weiter, könnte da nicht ein Zusammenhang bestehen? Natürlich ändert sich auch die Sprache und der Sprachgebrauch, die SMS- und Whatsappgeneration interessiert sich in ihrem schnellen Schreiben nicht für Rechtschreibung und Grammatik. Muss sie auch nicht, wenn sie weiß wie man sich ausdrücken kann.
Worauf will ich hinaus? Ich denke die Zeitung hat als Medium nicht nur die Aufgabe Menschen über die (aktuellen) Geschehnisse aufzuklären sondern die Zeitung hat auch die Aufgabe die Menschen zu bilden, sprich den Lesern die Sprache näher zu bringen, die Leser Richtung lesen bewegen und vor allem, dem Leser das Gefühl geben sich Zeit lassen zu können. Neue Information ist ab dem Zeitpunkt der Empfängnis schon wieder alt und man will wissen ob sich schon wieder etwas neues getan hat. Dann sind wir wieder bei Twitter, die Printzeitung interessiert sich nicht für das. Sie spuckt erst morgen wieder neue Information aus. Und da dann wirklich.

Titelbild: Wilhelmine Wulff / Pixelio.de

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