Des Kaisers neue Kleider

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(c) Jan Hagelstein, Demokratie-Aktion zur documenta in Kassel, https://www.flickr.com/

von Ruben Lackner


Politische Parteien haben heutzutage einen schweren Stand. Wenn es um Vertrauen und Problemlösungsfähigkeiten geht, steht ihnen eine überwiegende Mehrheit der Wähler skeptisch gegenüber.  Zum einen liegt das an äußeren Faktoren, wie der Globalisierung und schnellen Transformation unserer Lebenswelt auf die Parteien, wenn überhaupt, nur einen begrenzten Einfluss nehmen können. Zum anderen haben politische Parteien durch maßlosen Fraktionszwang, Ämterschacherei und Korruptionsskandale  über die Jahrzehnte hinweg selbst dafür Sorge getragen, dass ihr gesellschaftlicher Status schwindet.
Gerade weil politische Parteien und ihr Personal zunehmend negative Assoziationen beim Wähler hervorrufen, werden mittlerweile allerorten von höchster Stelle Bewegungen ins Leben gerufen. Der Eindruck der stets erweckt werden soll: Nun wird alles anders! Und tatsächlich handelt es sich bei diesem Phänomen bislang um ein politisches Erfolgsrezept. Barack Obama nahm den Anfang. Er konstruierte im Präsidentschaftswahlkampf 2008 mit seinem Wahlkampfmanager David Axelrod das, was den Anschein einer Graswurzelbewegung bekommen und sich an den Schlagworten hope und  change als Stoßrichtung der Bewegung ausrichten sollte. Im Großen und Ganzen war aber eine strikte Trennung zum Wahlkampf der Demokratischen Partei zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Dieses Phänomen macht nun Schule auch wenn die Formen in denen es auftritt höchst unterschiedlich sind. Er habe eine großartige Bewegung in Gang gebracht, sagte der Republikaner Donald Trump in seiner inauguration speech und er sei nur ihr Botschafter. Stets wollte er seine Kampagne als von den etablierten Parteien unabhängige Bewegung verstanden wissen und sich selbst damit von diesen distanzieren. Emmanuel Macron ging dieses Jahr noch einen Schritt weiter und bezeichnete seinen Präsidentschaftswahlkampf und sich selbst ausschließlich als Teil der Bewegung  „En Marche!“, Name der bereits 2016 in Amiens gegründeten Partei. Die Organisationsstruktur der neuen Partei sollte damit völlig hinter der Illusion von „En Marche!“ als Bewegung verschwinden. Eine Verschleierung der Wahrheit. Auch hier die Strategie negative parteipolitische Assoziationen zu vermeiden und stattdessen positive Assoziationen von Aufbruch und Umschwung zu wecken: Nun wird alles anders!
Und neuerdings auch noch Sebastian Kurz, seit 1.Juli diesen Jahres Parteiobmann der Partei, die nun vielleicht doch keine mehr sein will. Auch er hat eben eine Bewegung ins Leben gerufen. Eine „Bewegung“, wie sie zuvor von anderen Spitzenkandidaten ins Leben gerufen wurde. Aber dabei sei doch bereits mit der Umsetzung weiter Teile seines Forderungskatalogs alles anders in der Volkspartei! So hat sich die Partei vom schwarzen Schleier der Vergangenheit verabschiedet und sich einen türkisen Hauch von Nichts übergeworfen. Die Landeslisten werden nun außerdem von allerhöchster Stelle berufen und tunlichst mit parteifremden Personen besetzt. Und schon der Name „Die Neue Volkspartei“ lässt darauf schließen: Nun wird alles anders! Jedenfalls ist man dennoch enorm bemüht sich zusätzlich das Antlitz einer Bewegung zu geben.
Ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei all diesen Wahlkampfbewegungen um keine sozialen Bewegungen im sozialwissenschaftlichen Sinne handelt stellt sich im österreichischen Fall die Frage: Wo sind denn des Kaisers neue Kleider, die es zu preisen gilt? Fast hat man den Eindruck, dass dem eigentlich neuen, weil erst vor zwei Jahren überarbeiteten, aber seit Kurz‘ Parteiübernahme unveränderten, also eigentlich schon zu alten Parteiprogramm der ÖVP kaum Raum im Wahlkampf eingeräumt wird. Die Inhalte kommen dem rasenden Festzug nicht hinterher. Was in der Zeit bis zum Wahltag übrig bleibt ist eine Bewegung und das Mantra: Nun wird alles anders!  „Und die Kammerherren gingen noch straffer und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.“ (Des Kaisers neue Kleider von Hans Christian Andersen 1805-1875)

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