Eine Österreichische Mythologie: #3 medusa

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Wieder beginnt unsere Geschichte mit Zeus, der einfach kein Mädchen auf der griechischen Halbinsel missachten konnte. Diesmal heißt sie Danaë und war die Tochter des Königs von Argon. Dieser hat das Mädchen zu ewiger Jungfräulichkeit verurteilt und in seinen Kerker geworfen. Ihm wurde nämlich geweissagt, dass einer seiner Enkel ihn stürzen werde. Die Furcht, von seinen Nachkommen getötet zu werden, zieht sich übrigens quer durch die ganze Mythologie (Uranos, Zeus, Aigeus, …) und kann durchaus als ein erster kulturhistorischer Impuls für Verhütungsmittel betrachtet werden. Anders als für ihn üblich, wählt Zeus im Fall der hübschen Argonautin keine gewohnt potenzüberschäumende Gestalt für die göttliche Samenspende, wie beispielsweise früher als Satyr, Schlange, Adler oder Stier, sondern bezaubert die gekettete Jungfer mit einem kitschig romantischen goldenen Regen (golden shower), der das Mädchen nachhaltig durchnässt und heutzutage seltsam ironisch an jenes Pornogenre erinnert, das menschlichen Urin möglichst facettenreich und sichtbar einzusetzen weiß.
Der verzweifelte Vater der Danaë, nun Großvater, (anscheinend kann man doch durch Urin schwanger werden) nimmt Mutter und Kind, setzt beide in eine große Holzkiste und setzt sie auf offener See aus. Diese finden sich eines Morgens auf einem paradiesischen Strand wieder und werden vom dortigen König Polydektes herzlich aufgenommen. Polydektes wird, wie schon der Göttervater zuvor, von der Zierde der jungen Argonautin sogleich bezaubert und versucht diese in seine Gemächer zu locken. Der Danaës- und Zeussohn Perseus, bietet dem Inselkönig daraufhin einen unglücklichen Deal an: Der junge Heros verspricht dem Fürsten das Haupt der berüchtigten Medusa, wenn dieser sich verbürgt, der Mutter nachzustellen. Athena, Vorsitzende der olympischen Intelligenzinitiative, kommt ihrem Halbbruder Perseus (die Kinder des Zeus bildeten immer schon eine Art Club der coolen Kids) sogleich zu Hilfe und rüstet ihn mit einer Geheimwaffe aus. Medusa besitzt nämlich ein delikates Detail: Als Poseidon vom betörenden Blick der jungen Medusa liebestrunken diese in einem Tempel in Hengstgestalt vergewaltigte, überraschte seine Nichte Athena das unfreiwillige Liebesspiel. Die Intelligenzgöttin war über die Frauenfeindlichkeit und Triebsteuerung ihres Onkels so erzürnt, dass sie in einer klassischen „blame the girl“ -Mentalität die wunderschöne Medusa in ein Monster mit Schlangenhaaren verwandelte, die jeden der ihr in die Augen blickte zu Stein verwandelte. Analog zur UV-Strahlung ist der Todesblick der Medusa jedoch bei bestimmten Materialen nicht reflektierbar und die Versteinerung bleibt aus. Zu diesem Zweck rüstet Athena Perseus mit einem schön aufpolierten Schild aus. Perseus nähert sich dem Monster mit gekonntem Spiegelblick (griechischen Heroen konnten noch ohne Heckkamera rückwärts einparken) und köpft die Medusa. Was niemand wusste, Medusa war von Poseidon schwanger (Götter sind halt aufgrund ihrer gesunden Ernährung auf dem Olymp sehr fruchtbar) und aus dem geöffneten Körper entspringt in Entsprechung zur Hengstperformance des Meeresgottes ein Pferd mit Flügeln: der Pegasus.
Gerade in den letzten Wochen erleben wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der seitens der rechten Politik zur Medusa stilisiert wird. Wer Armin Wolf und Co. Auge in Auge gegenübersitzt, wirkt schnell inhaltlich, oft auch körperlich versteinert, wenn er nicht sogar in Sand zerbröselt. Wie oft findet sich ORF Journalismus ebenfalls in einem „blame the girl“-Mechanismus wieder? Einerseits von den Mächtigen vergewaltigt, andererseits zum öffentlichen Sündenbock erklärt, wird er und seine Akteure zum Freiwild. Der selbsternannte rechtskonservative Intelligenzgott der „neuen Wahrheit“ alias Andreas Unterberger meint mit seinem Blog den Sumpf der Fake News zu entlarven. Eigentlich könnten wir die Athenastatue vor dem Parlament entfernen und Unterberger auf Werkvertrag ebendort hinstellen. Die Tauben und Peter Pilzs Hund würden es lieben.  Seine Strategie entnimmt er aus der Antike: Er spiegelt wie das hochpolierte Schild der Perseus. Die Psychologie der Spiegelung kennt nur ein Gesetz: Was dir jemand vorwirft, das wirf einfach eins zu eins zurück. Unser aktueller Perseus, Efgani Dönmez, nutzt das gut. Es bleibt die Frage, was aus der Leiche der öffentlich-rechtlichen Medusa, die oft genug von Mächtig und Reich bestiegen wurde, emporsteigt? Die Antwort: Der Pegasus der sozialen Medien. Digital beflügelt verzichtet er auf die Kanalisierung und Regulierung der klassischen Wege und kann in Sekundenschnelle hinfliegen, wo er will. Dönmez und sein gegelter Meister in Türkis haben den Pegasus für sich erkannt und reiten ihn auf und ab. Es war Pegasus, der Donner und Blitz des Zeus zu den Menschen bringt. Ich geh jetzt aber offline, es scheint sich nämlich ein ‚kurzes‘ Gewitter anzukündigen.

Titelbild: (c) wikicommons

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