Gasthaus "Spitzbua": Das geschichtslose Wirtshaus in der Innsbrucker Reichenau

5 Minuten Lesedauer

Geschichte


Traditionelle Gasthäuser erzählen unzählige Geschichten. Schon allein an der Patina der Wände lassen sich die letzten Jahrzehnte  förmlich ablesen. Zahllose Stammtisch-Treffen fanden statt, berühmte und weniger berühmte Personen gingen ein und aus. Manchmal glaubt man in solchen Gasthäusern immer noch die Geschichten der Gäste zu hören, die zum Besten gegeben wurden. Der Gast sollte solche Räumlichkeiten mit einer gehörigen Portion Demut betreten, denn er ist nur ein kleiner Teil einer viel größeren Geschichte, in die er sich einerseits einordnet und an der er zugleich mit seinem Besuch und seinen Geschichten mitschreibt.
Nichts von alledem kann das Gasthaus „Spitzbua“ bieten.  Die Räume atmen trotz einiger sichtbarer Veränderungsbemühungen noch immer den überschaubaren Charme der ehemaligen Pizzeria. Die Wände sind nicht geschichtsträchtig, sondern bestenfalls zweckmäßig. Bilder von ehemaligen Gästen oder mit dem Gasthaus verbundenen Vereinen sucht man vergeblich. Das von Jan Kometer initiierte „Projekt Gasthaus“ wirkt somit anfangs einigermaßen absurd, wenngleich löblich.


Kulinarik


Der Enthusiasmus des aus Axams stammenden Wirtes springt einem aber in den ersten Augenblicken schon regelrecht ins Auge. Seine Gäste begrüßt er, sofern ihm bekannt, mit Vornamen. Freundlich erkundigt er sich, wenn näher bekannt, wie der Tag war. Die Bar bildet dabei das Zentrum des Gasthauses. Dort trifft man sich, redet, trinkt Bier. Alles ist also so, wie man es sich in einem richtigen Gasthaus erwartet. Dass die Bierqualität stimmt, man setzt auf das „Imperial Zwickl“ von Zillertal Bier als Hausbier, hinterlässt außerdem einen guten Eindruck.
Zum Essen kann man sich auf die barnahen Tische oder in einen Nebenraum begeben.  Die Speisekarte fällt klein, aber traditionell und liebevoll gestaltet aus. Zu ebendieser empfiehlt der Hausherr ergänzend tagesaktuell Gerichte, beim gestrigen Besuch etwa vom Reh. Die „Standard-Karte“ offeriert aber vor allem Bodenständiges und Bekanntes mit kleinen Geschmacksvariationen. So wird etwa der Gasthaus-Klassiker Cordon Bleu beim „Spitzbua“ mit selbstgeräuchertem Speck und Bergkäse kredenzt. Der rauchige Geschmacks-Akzent und die Qualität sowohl von Fleisch als auch der restlichen Zutaten konnte restlos überzeugen.
Als Auftakt servierte man Liptauer-Aufstrich auf hausgemachtem Brot, das im Ofen der ehemaligen Pizzeria direkt vor Ort gebacken wird. Die folgende Frittaten-Suppe, ebenfalls ein unsterblicher Wirtshaus-Dauerbrenner, wusste durch die ungewöhnliche Qualität des beigefügten Gemüses und durch den natürlichen, kräftigen Geschmack zu gefallen. Die abschließende Crème brûlée rundete die Speisenfolge souverän ab.
Die Kulinarik kann somit zweifellos jeden Liebhaber der bodenständigen und hochwertigen Küche begeistern. Das Qualitätsbewusstsein inmitten von benachbarten Kebab-Ständen und Fastfood-Ketten wirkt auf angenehme Weise aus der Zeit gefallen. Das Schnapserl nach dem Essen ließ einen dann endgültig vergessen, dass man sich in einem wenig charakterstarken Lokal mitten in der Innsbrucker Reichenau befand. Zu späterer Stunde konnte man dann auch noch mit dem einen oder anderen Stammgast ins Gespräch kommen und durfte sich endgültig wie in einem „echten“ Wirtshaus fühlen.


Fazit


Womöglich ist es gerade die „Geschichtlosigkeit“ dieses Ortes, der ihn besonders macht. Niemand erwartet sich umringt von hohen Häuserblöcken in einem wenig attraktiven Wohngebiet ein anständiges Wirtshaus. Der „Spitzbua“ ist aber ein ebensolches. Denkbar, dass es jetzt an den Gästen liegt, die Geschichte dieses Gasthauses mitzuschreiben und Geschichte und Atmosphäre dadurch mitzugestalten. Sehr gut essen kann man jetzt schon im „Spitzbua“. Und das ist ja bekanntlich die Grundlage und des Gasthauses Kern.


Impressionen


 

(c) Markus Stegmayr
(c) Markus Stegmayr

(c) Markus Stegmayr
(c) Markus Stegmayr

Schnaps Spitzbua
(c) Markus Stegmayr
(c) Markus Stegmayr
Titelbild: (c) Gasthaus "Spitzbua"

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

1 Comment

  1. Das Gemüse ist nur einmalig bei dir hineingeflogen. Ich hatte nie gemüse in meiner suppe und auch nie so einen aufstrich. Wir gehen öfters dort essen da es billig ist aber werden weder besonders begrüßt, noch kennt man unseren namen. Ich verstehe diesen zirkus nicht. Da wurde wohl speziell für diesen artikel aufgepauscht. In meinen augen nicht mehr besonders als andere gasthäuser.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.