Solidarität mit den Hühnern!

4 Minuten Lesedauer

Harald Stoiber ist Der Hühnerphilosoph und schreibt primär auf seinem gleichnamigen Blog.


Link zur ORF-Sendung „Am Schauplatz“ zum Thema „Maschine Huhn„.


Es gehört eine gehörige Portion Selbstverständnis und Mut dazu, das Vergasen von männlichen Küken als Abfallprodukt der Eierproduktion vor die Kameralinse zu rücken. Umso erstaunlicher, dass es nicht die AMA selbst war, die die Türen öffnet, sondern ein konventioneller Bauer, der mit den Werbebildern seiner eigenen Interessensvertretung aufräumt.
Dass die ZAG (zentrale Arbeitsgemeinschaft für Geflügelwirtschaft) zu Beginn der Dreharbeiten vollste Transparenz verspricht und diese nie eingelöst wird, ist mehr als peinlich für so eine große und machtvolle Institution. Denn auch die BIO-Produktion ist weit entfernt von farbenfrohen Wiesen und träumerischen Legenestern. Freilich, etwas mehr Platz haben die Hennen und das Futter ist weniger belastet. Doch auch ein Biobetrieb ist auf Effizienz getrimmt. Eine Hühnerhaltung wie die Werbung suggeriert, ist beim derzeitigen Eierpreis schlichtweg nicht ökonomisch. Sinkt die Legeleistung, wird der gesamte Bestand ausgetauscht. Selbst die beste Eierlegerin hat keine wohlverdiente Regenerationsphase zu erwarten.
Vom Subjekt zum Objekt
Wie kann Mensch einen solchen Umgang mit Tieren zulassen? Das Geheimnis ist wie sooft: Das Tier wird verdinglicht. Somit verdrängen wir seine Bedürfnisse und stellen die Leistung in den Vordergrund.
Wir züchten Tiere, die kein Sättigungsgefühl mehr haben und so schnell Brustfleisch ansetzen, dass die Läufe unter dem schweren Körper einfach abbrechen. Oder Hennen, die fast täglich ein Ei legen (müssen). Wir haben längst vergessen, dass ein Ursprungshuhn nur 20 Eier im Jahr legt – nicht im Monat. Durch die Verdinglichung wird dem Tier die Persönlichkeit genommen, der Lebensrahmen umgedeutet und die Vorzeichen neu definiert. Das Tier als kapitalistisches Objekt muss nach ökonomischen Prinzipien laufend optimiert werden. Es ist da um zu liefern. Das ultimative Nutztier.
Verantwortung übernehmen statt Schuld zuweisen
Nach einer solchen Dokumentation wird schnell Unmut laut und die Schuldigen sind rasch gefunden. Doch was wir uns vielmehr fragen sollten ist, was es für uns Menschen heißt, wenn wir Ausbeutung – egal ob an Tieren oder anderen Teilen der Gesellschaft (Frauen, Kindern, Minderheiten) einfach so hinnehmen.
Das Argument der Wirtschaftlichkeit kann doch nicht dafür ausreichen, dass wir Tiere ausbeuten und entsorgen, sobald sie nicht mehr rentabel sind. Doch warum schauen wir diesem Unrecht zu, ohne zu rebellieren?
Meine Erklärung ist folgende: Wir befinden uns in einem gesellschaftlichen Dilemma. Wir verlieren das Verständnis von Solidarität und ergeben uns zunehmend einem neoliberalen Individualismus. Als Individualisten betrachten wir uns nicht mehr als Kollektiv, sondern als Einzelkämpfer. Wir fühlen uns in unserer Selbstverwirklichung zwar mächtig, verlieren dabei aber die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit. In der Arbeitswelt oder dem gesellschaftlichen Zusammenleben merken wir die fehlende Verantwortung ebenso. Einerseits betreiben wir Raubbau am eigenen Körper um im Dienste eines Geldgebers Funktionen zu erfüllen, andererseits sind wir durch das Streben nach noch mehr Individualität nicht mehr in der Lage, gemeinsam gegen diesen Raubbau anzukämpfen. Es geht nicht um Partikularinteressen, die sich je nach Zeitgeist oder politischer Couleur verändern, sondern um die Mechanismen der Unterdrückung, die unser Gemeinwohl gefährden. Abhängigkeiten jeglicher Form können uns alle treffen, wenn wir alle aus den Augen verlieren.
Die Hühnerhaltung ist nur eines der vielen Symptome, das beweist, dass es an Solidarität mangelt. Die Hühner werden es aber nicht von alleine schaffen, wenn wir die Stimmen nicht erheben. Es genügt nicht, BIO Eier zu kaufen. Es ist Zeit solidarisch zu handeln.

Artikelbild (c) Harald Stoiber

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