Nur noch ein Spiel, dann an die Front

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95.000 Zuschauer sehen am 22. Juni 1941 das Finale der Deutschen Fußballmeisterschaft zwischen Rapid Wien und Schalke 04. Berlin dient als Ort. Hier soll sich entscheiden, wer die Fußballhauptstadt im Deutschen Reich ist: Wien oder Gelsenkirchen. Es ist nicht das erste Mal, dass eine österreichische Mannschaft im Finale um die Deutsche Meisterschaft steht: Admira Wien war dies 1939 gelungen, musste sich aber mit 0:9, dem besten Schalke der Geschichte, geschlagen geben.
Der Spielbetrieb des Fußballs in Nazideutschland wurde grundlegend reformiert. Die Regionalverbände wurden zur Auflösung gezwungen, stattdessen wurde die jeweils stärkste Mannschaft in den Gauen gesucht. Die Gaumeister spielten anschließend in einem Turnier um die Meisterschaft. Die Schalker dominierten die 1930er und 1940er Jahre und konnten sechs mal Deutscher Meister werden. Das besondere Schalker Spiel – der „Schalker Kreisel“ – überrannte nahezu jede Mannschaft.
So auch Rapid. Bereits nach acht Minuten lagen die Wiener mit 0:2 zurück. Spieler Leopold Gernhard hat in einem Interview von dem eindrucksvollen Schalkerspiel berichtet: „Ich kann mich an eine lustige Situation nach ungefähr zehn Minuten erinnern: Zapferl‘ Wagner, der rechts im Mittelfeld gespielt hat, hat mir zugerufen: ‚Heast, Poidl, hast den Ball schon berührt?‘ – ‚Nein, du?‘ Da hat er gelacht: ‚Nein, ich auch nicht!'“. Durch die ständige Bewegung der Spieler – was damals äußerst ungewöhnlich war – und die schnelle Weitergabe des Balles, meist mit nur einer Berührung, blieb den Gegenspielern fast keine Möglichkeit an den Ball zu gelangen, geschweige denn eigene Chancen zu kreieren.

Besser als Messi, Ronaldo und di Stefano

Rapid hatte damals den besten Stürmer aller Zeiten in seinen Reihen. Name: Franz „Bimbo“ Binder, seines Zeichens der Stürmer mit der besten Quote in der Geschichte des Fußballsports (so berichtet man zumindest). 1006 Tore in 756 Spielen, Cristiano, da musst du dich noch ein bisschen anstrengen!
Ausgerechnet Binder verschoss vor der Pause einen Elfmeter. Er rutschte aus. Mit 0:2 ging es in die Pause, in der die Gelsenkircher anscheinend schon die Korken knallen ließen und sich als sicherer Sieger wehten. Mit dem 3:0 in der 58. Minute schien alles klar zu sein. Doch dann begann der Wahnsinn: Schors‘ Tor in der 62. Minute folgten zwei Tore von Binder in den kommenden Minuten. Rapid glich innerhalb von drei Minuten aus, das Spiel fing wieder bei Null an. Der nervenstarke Goalgetter Binder schoss das entscheidende Tor durch einen Elfmeter. Rapid gewann, Schalke war geschlagen und zeigte sich als schlechter Verlierer: Legende Ernst Kuzorra weigerte sich die Vizemeisternadel anzustecken, da er sich vom Schiedsrichter benachteiligt fühlte.

 Als Dank an die Front

Rapids Sieg wurde von der politischen Führung in Berlin nicht wirklich gern gesehen. Lange ging in Österreich die Mär um, die Spieler würden als Strafe an die Front geschickt. Nach dem Krieg konnte man dies widerlegen: Die meisten Spieler waren schon zuvor eingerückt und an mehr oder weniger „sicheren“ Plätzen untergebracht. Im Laufe des Krieges wurden aber auch sie mehr und mehr in Kampfeinsätze geschickt, so etwa Binder. Im übrigen galt den Schalkern das gleiche Schicksal, da auch sie in den Krieg zogen mussten.
Schalke hat sich in der jüngsten Vergangenheit intensiv mit seiner Rolle in der Nazizeit auseinander gesetzt. Dinge die Ex-Präsident Rudolf Edlinger bei Rapid auch begann, um so Klarheit über die Geschichte Rapids zu erhalten und diese differenziert betrachten zu können. „So können wir jenen, die fragen, ob wir stolz sind auf den Titel eines deutschen Meisters, antworten: Die sportlichen Leistungen der beteiligten Spieler sind ohne Einschränkung zu würdigen. Wir sind stolz darauf, dass sich Rapid dem Zugriff der Nazis weitgehend entziehen konnte und viele anständig geblieben sind“, so Edlinger im Vorwort zum Buch „Grün-Weiß unterm Hakenkreuz – Der Sportklub Rapid im Nationalsozialismus“, von Jakob Rosenberg und Georg Spitaler. Sportlich ist der Titel jedenfalls wirklich beachtlich, historisch aber schwierig – zieht er doch immer noch Ewiggestrige an.

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