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Allein gegen M-Preis

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Wenn der Nachbar bauen will, wird es für die Anrainer oft ungemütlich. Wenn einem eine Wasserstofffabrik plus Tankstelle und Waschanlage für Lastwagen vor die Nase gesetzt werden soll, wird es definitiv ungemütlich. Anita Brandacher erlebt genau das. Gegenüber von ihrem Haus befinden sich die Betriebshallen der Firma M-Preis. Dazwischen fließt der Völser Gießen, ein Naturdenkmal, in das laut bestehendem Naturschutz eigentlich gar nicht eingegriffen werden darf. Doch M-Preis setzt alles daran, die Anlage in unmittelbarer Nähe zu bauen. Die Sorge der Diplomkrankenschwester aus Völs: Hier wird kostbare Natur für immer zerstört. Deshalb wehrt sie sich. Als einzige.

Die Firma M-Preis macht 900 Millionen Euro Umsatz, beschäftigt tausende Mitarbeiter und eine eigene Rechtsabteilung. Sie führen den sprichwörtlichen Kampf David gegen Goliath. Wie fühlen Sie sich?

Anita Brandacher: (denkt nach) Alleine bin ich zum Glück nicht. Ohne die Unterstützung von anderen würde ich das gar nicht schaffen. Ich habe ein Ziel vor Augen, weil ich die Art, wie es geplant ist, ungerecht finde und nicht akzeptieren kann, warum man dieses Ding unbedingt hier reinknallen muss, ausgerechnet auf dieses Grundstück. Es passt dort nicht hinein und es gäbe Alternativen. Im persönlichen Kontakt sagen mir das auch viele. Das zeigt mir, dass mein eingeschlagener Weg richtig ist.

Sie haben eine Petition gegen die Anlage gestartet und Kontakt mit verschiedenen Gruppen aufgenommen. Dieser Einsatz hat Ihnen aber auch Widerstände eingebracht. Hat Sie das überrascht?

Am meisten enttäuscht hat mich, dass das ausgerechnet von den Völser Grünen gekommen ist. Ich hätte mir erwartet, dass sie für die Erhaltung des Gießens eintreten. Stattdessen hat man begonnen, mich zu attackieren. Meines Erachtens wird hier einfach zugeschaut, statt für den Naturschutz zu agieren.

Fühlen Sie sich als Bürgerin unterstützt?

Nein. Bei den Völser Grünen zum Beispiel und auch bei der Arbeitsgemeinschaft Völser Teich sind Biologen mit dabei, wo ich mich frage, warum diese sich nicht mehr für die Rettung des Gebietes einsetzen. Ich bin eine einfache Bürgerin und habe mir fachliches und rechtliches Wissen, besonders was den Naturschutz angeht, selbst erarbeiten müssen.

Ihre Familie ist als direkter Anrainer von dem Projekt betroffen. Was befürchten Sie konkret?

Schon in den letzten Jahren ist sehr viel Lärm von M-Preis ausgegangen, auch in der Nacht. Das beeinträchtigt auch unseren Schlaf. Die Befürchtung ist, dass das nun mit der geplanten Wasserstoffanlage wieder mehr wird. Als wir hierhergezogen sind, vor 20 Jahren, war an der Stelle grüne Wiese. Mittlerweile kommt alle zwei, drei Jahre die nächste Baustelle. Ich habe auch schon öfters bei M-Preis wegen der dauernden und zunehmenden Lärmbelästigung angerufen und E-Mails geschickt. Bei einem Informationsabend der Gemeinde habe ich es dem Firmenchef Peter Paul Mölk auch persönlich gesagt. Aber es kommt keine Reaktion, keine Verbesserung. Da hat man natürlich kein Vertrauen mehr, dass man ernst genommen wird.

Der Lärm hat Sie ja auch heuer im Mai aufgeschreckt und aus dem Bett geholt. Da haben Sie dann das mittlerweile berühmt-berüchtigte Foto vom Tönnies-LKW vor der M-Preis Metzgerei geschossen. War Ihnen in dem Moment bewusst, was Sie da sehen?

Nein, mir ging es ja eigentlich um die Lärmbeschwerde. Mir war aber schon klar, dass es sich um einen deutschen Fleischlieferanten handelt mit weitem Anfahrtsweg und Diesel-Kühlaggregat, wo man bei M-Preis doch diese Wasserstoffanlage zum Zweck eines geringeren CO2-Ausstoßes genau hier bauen möchte. Das Foto habe ich eigentlich nur deshalb gemacht, um dem Gewerbereferat zeigen zu können, was hier passiert. Umso mehr habe ich es dann als Frechheit empfunden, dass M-Preis erst mal behauptet hat, das Foto sei schon ein Jahr alt.

M-Preis hat ein sehr positives Firmenimage. Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass es dort keine Gesprächsbereitschaft gibt.

In der Vergangenheit war das auch anders. Das möchte ich zugutehalten. Das war eine andere Generation, ungefähr die gleiche Altersstufe wie mein Vater. Aber es hat sich etwas geändert. Es ist eine Generation gekommen, die vielleicht anders denkt. Wir sind nicht die Einzigen, die betroffen sind. Ich bin aber vermutlich die einzige, die sich traut, etwas zu sagen.

Es gab kein Gesprächsangebot von M-Preis?

Nein. Von der Gemeinde ist leider bisher auch nichts gekommen, obwohl ich die Frage einmal direkt an den Bürgermeister gestellt habe, ob man die Völser Au jetzt wirklich verbauen will. Als Antwort hat man mir damals gesagt, dass man das Gebiet beruhigt halten möchte. Geschehen ist dazu bisher aber nichts.

Man hat von M-Preis Seite versucht darzustellen, dass die Auswirkungen der Anlage auf das Gebiet nicht so dramatisch sind. Stimmt das?

Wenn hier eine Grünfläche ist und dort wird eine Halle hineinbetoniert mit zehn Meter Höhe, die ungefähr gleich hoch ist wie die Bäume, dann steht das Ding da und das kann man nicht einfach wegradieren. Ohne meinen Widerstand hätte man es vielleicht auch schon gebaut, obwohl es dafür noch nicht einmal die endgültig notwendigen Bewilligungen gab. Das war zumindest der Eindruck. Das Ganze ist schon sehr eigenartig. (Anmerkung: der Spatenstich mit dem Bürgermeister und Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler erfolgte eine Woche, bevor der Baubescheid ausgestellt wurde).

Bekommen Sie auch Zuspruch?

Mein Umfeld sieht das sehr positiv, auch den Mut, sich zu wehren. Das ist mir schon mehrmals persönlich gesagt worden. Aber ich kann gar nicht anders, ich kann da nicht einfach zusehen. Mir wird total schlecht, wenn ich nur daran denke, was da dann irgendwann einmal stehen soll. Ich bekomme wertvolles Feedback von Anderen und die unterstützen mich auch.

Kann man Sie unterstützen?

Die Petition ist noch aktiv, die kann man online unterschreiben. Mir würde es aber auch helfen, wenn andere Menschen zum Beispiel Leserbriefe an Medien schicken oder in einer anderen Weise zeigen, dass sie das Projekt an dieser Stelle nicht für in Ordnung finden.

Wie wird es nun weitergehen?

Ich habe für mich immer gesagt: den Gießen werde ich beschützen. Der hat für mich eine schöne Ausstrahlung, aufgrund der Ruhe des Gewässers und allem, was er bietet: ein Energieplätzchen. Seine Blumen, die Sträucher und die Tiere, die hier zu sehen sind. Gerade letzte Woche habe ich wieder die heranwachsende Entenfamilie, Kaulquappen und Fische, die im Wasser herumflitzen, beobachtet. Es wäre ein Wahnsinn, wenn das hier an dieser Stelle gebaut werden sollte. Ich hoffe aber immer noch, dass es eine bessere Lösung gibt und man das vielgenutzte Naturjuwel der Bevölkerung lässt.

Anmerkung: Gegen die naturschutzrechtliche Bewilligung der Anlage, die zwischenzeitlich erteilt wurde, hat Fritz Gurgiser vom Transitforum Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht wegen fehlender Prüfung alternativer Standorte durch die Behörde eingebracht. Das Verfahren läuft.

Der Stadtkater erzählt garantiert keine Schnurren, sondern Geschichten, die das Leben schreibt. Tragisch, komisch, hintergründig, tiefgehend. Er ist: Der Wahrheit auf der Spur.

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