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Panama

Herbert K. erobert die Welt.
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Niemals wieder! Herbert K. hatte seine Lektion gelernt. Was nützen einem all die Siege, wenn man die letzte Schlacht verliert? Wenn einen der Zweitplatzierte am Schluss wie einen begossenen Pudel vorführt und im Regen der Lächerlichkeit stehen lässt? Diese Demütigung! Dabei war doch er als unbestrittener Sieger hervor gegangen. Zweifelsfrei!

Die ersten paar Stunden vermochte Herbert K. keinen klaren Gedanken zu fassen. Die Wut, die blanke Wut schnürte ihm die Kehle zu. Sollte er etwa all die Impfgegner, Schwurbler und Reichsbürger aufrufen, das Parlament zu stürmen? – Nein. Dazu war die Zeit noch nicht reif genug. Er musste unbedingt seinen kühlen Kopf bewahren, durfte nicht in Panik verfallen und keine voreiligen Schlüsse ziehen.

In mühsamer Selbstbeherrschung absolvierte Herbert K. die üblichen Pressemitteilungen – gewohnt untergriffig, mit den altbekannten Parolen. Erst hinterher konnte er seine Wunden lecken und die Gesamtsituation analysieren: Der nächste Sieg musste ein totaler sein. Keine Verhandlungen mehr. Einzig die bedingungslose Kapitulation der Gegner zählt. Die bisherige Taktik war gescheitert. Dieses quasidemokratische Geplänkel führte zu nichts.

Frau und Sohn waren schon zu Bett gegangen und Herbert K. saß mit einer Tasse Kräutertee sinnierend im Wohnzimmer. Er musste sich neu erfinden. Einen wirklichen Coup landen. Gedankenverloren blickte er auf die Glasvitrine des Wandverbaus. Ganz hinten stand das hölzerne Modell der Admiral Tegetthoff, das er als 14-jähriger gebastelt hatte. Julius Payer, Carl Weyprecht. Die Polarforscher. Die 1873 mit ihrer Österreichisch-Ungarischen-Nordpolexpedition das Franz-Josef-Land entdeckten. Wie hatte er diese Expeditionsberichte verschlungen! Den Mut und die Tapferkeit dieser Männer bewundert, die letztendlich ihr Schiff, die Admiral Tegetthoff, im ewigen Eis aufgeben mussten, aber dennoch zu Fuß und mit Schlitten den 82. Breitengrad erreichten. So musste man vorgehen: Mit einem klaren Ziel vor Augen ohne Rücksicht vorwärts marschieren.

80°40´ nördlicher Breite, 54°51´ östlicher Länge. Franz-Josef-Land. Das war der Coup. Herbert K. fühlte wie seine innere Ruhe zurück kehrte und ein klarer Entschluss sich in aller Deutlichkeit heraus kristallisierte. Nur nichts überstürzen. Noch einmal darüber schlafen. Erschöpft aber erleichtert stand er auf, ging ins Bad, zog sich seinen Pyjama an, schlich leise, ohne Licht zu machen ins Schlafzimmer und legte sich hin. Tief und traumlos war sein Schlaf.

Um sechs Uhr morgens erwachte Herbert K., entkleidete sich, warf den Morgenmantel über, steckte das Handy in die Seitentasche, schlüpfte in seine Crogs und ging in den Garten. Das Wasser in der Badetonne war an der Oberfläche leicht gefroren. Er warf den Bademantel über die Lehne des daneben stehenden Klappstuhls, streifte die Crogs von den Füßen, stieg mit angehaltenem Atem in das eisige Wasser und tauchte bis zum Hals unter. Augenblicklich spürte er, wie ihm die Eiseskälte nadelscharf in die Glieder fuhr. Beinahe verkrampft zählte er leise bis 40, stand prustend auf, kletterte aus der Tonne und hüllte sich bibbernd in den Bademantel. Der Mann der aus der Kälte kam. Er trocknete seine Hände ab, nahm das Handy heraus, suchte die Nummer von Karin Kneissl und tippte: „Franz-Josef-Land ist österreichisch! Unser Bundesland Nummero 10! Beste Grüße an Vladimir!“ Senden.

Noch während er lächelnd und stolz ins Haus zurück schritt blinkte die Antwort auf.

„Kusch Herbert! Sonst drehen wir dir das Gas ab!“

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