Wenn Tiere die Hauptrolle spielen, spricht man von Fabeln, wenn Parteitiere im Mittelpunkt stehen, handelt es sich um Fabelwesen.
Lehrreiche Geschichten lassen sich nahezu täglich aus den Qualitätszeitungen herauslesen. Um den Kern der Moral zu entdecken, braucht man nur die Namen der Politiker wegzulassen. Die Struktur der Parteifabeln ist Lehrstück genug.
1. [blöd gelaufen]
Ein Parteitier der blauen Partei zelebriert nicht nur seine politischen Thesen auf Sozialmedia, sondern auch sein privates Glück mit einer Society-Frau. Als es zur Scheidung kommt, schwappen die Kanäle über vor Kommentaren der Häme und Schadenfreude.
2. [Armut schützt vor Strafe nicht]
Der blaue Unglücksvogel geht gegen diese verunglimpfenden Postings schließlich gerichtlich vor. Es erwischt unter anderem drei ältere steirische Damen ohne Einkommen, die unter dem Aufmacher „arme Steirerinnen müssen für blauen Frust zahlen“ ihr Schicksal in der kleinen Qualitätspresse schildern dürfen.
3. [SPÖ hilft aus der Patsche]
Dem steirischen Parteiobmann der Roten geht dieses Schicksal sehr zu Herzen. Endlich hat er eine punktgenaue Zielgruppe, um die er sich kümmern wird. Obwohl der Sprache weder in Wort noch Schrift mächtig, haben diese drei Steirerinnen den Kampf gegen die Blauen aufgenommen und dem unglücklichen Scheidungshelden alles Schlechte gewünscht und üble Nachrede gemacht. Der Rote wird also tief in die Parteikasse greifen, um den verurteilten Analphabetinnen von Sozialmedia die formidablen Strafen zu ersetzen. Für diesen Kampf hat die Partei extra einen Fonds angelegt, einen Teil wird der Parteiführer sogar privat zahlen.
4. [Was lernen wir daraus?]
Dummheit ist gerade auf Sozialmedia oft die erste Voraussetzung für Teilhabe.Wenn man kein eigenes Parteiprogramm zustande bringt, muss man sich als Sozialdemokratie damit begnügen, den politischen Gegner auszugrenzen und zu verunglimpfen.
Je ärmer und proletarischer die Kämpferinnen auf Sozialmedia unterwegs sind, umso mehr brauchen sie die rettende rote Hand.
Sätze voller Dankbarkeit ersetzen im Idealfall den politischen Diskurs.
Je mehr Gefühlskanonen auf Sozialmedia herum flanieren, desto besser geht es der Sozialdemokratie, die zumindest in der Steiermark in vier Jahren einem fulminanten Sieg entgegensteuern wird.
Bis dahin besuchen die drei Steirerinnen ihren roten Obmann regelmäßig im Büro, um ihm herzergreifende Sätze mit Kusshand zuzuwerfen.
„Ich bin so dankbar. Das ist die erste Nacht, in der ich ohne Albtraum schlafen konnte. Man kann sich gar nicht vorstellen, was man da durchmacht. Ich habe ja weder kommentiert noch sonst irgendwas, ich habe nur den Artikel dieser Zeitung geteilt. Ich bin so froh, dass jemand so ein großes Herz hat und sich so um uns kümmert“, meinte Claudia A. beim Besuch.
[Krone, Innenpolitik, 15.10.2025]
STICHPUNKT 25|79, geschrieben am 21.10. 2025