Lachsfarbenes Blatt ade!

2. Dezember 2025
1 Minute Lesezeit
(c) Helmuth Schönauer

Warum ich als prekär arbeitender Essayist keine Zeitungen abonniere.

Ein paar Jahrzehnte lang war die sogenannte „Lachsfarbene Zeitung“ für den intellektuellen Nachrichtenaustausch unverzichtbar. Zumindest redete man es literarischen Zirkeln, Theater-Affinen und gesellschaftlich in der Szene Verankerten ein.

Wer diese Premium-Tageszeitung las, wurde automatisch als Premium-Mitglied der Österreichischen Avantgarde angesehen.

Gegründet wurde dieses liberale Blatt im Geist der Ostküste Amerikas, wo die Presse die Zukunft des Kontinents zu begleiten gedachte, nachdem sie die dunklen Seiten von Watergate aufgeklärt hatte.

In Österreich sollte es ähnlich ablaufen, im liberalen Geist jenseits der Sozialpartnerschaft sollte sich eine rosa Zukunft über dem Land räkeln.

An manchen Tagen war es Kult, im Feuilleton zu lesen, was die Österreichische Literatur wieder an Preiswundern vollbracht hat und wohin der Trend zu gehen habe, nämlich in Richtung Sozialismus, transkontinental und mit EU-Flair, es der Dauerpreisträger Robert Menasse als Leitziel propagierte.

2.
Irgendwann hat der Umsturz in der Print-Presse auch das rosa Blatt erwischt. Die Beiträge stammten nur mehr aus der Bobo-Szene, die Literatur wurde zurück geschrumpft auf skurrile Dramolette des Kärntner Autors Antonio Fian. Und das Personal wurde entlassen oder auf Einmal-Beiträge freier Mitarbeiter beschränkt.

Gleichzeitig wurde die Online-Fassung auf Abo oder Pay umgestellt. Nur das Schnuppern der Schlagzeilen sollte noch gratis sein.

Was die Herausgeber vielleicht überschätzt haben, ist die Notwendigkeit ihres Tuns.

Die Zeitungskrise stellt nämlich zu jedem Artikel die peinliche Frage: Warum muss ich das lesen? Was ist der Mehrwert dieses bezahlten Artikels?

3.
In der Folge haben viele prekär Schreibende ihre Abos abbestellt und streifen nur noch selten über die Schlagzeilen des Blattes, das in der Formulierung der Schlagzeilen mittlerweile an die Fragesätze der katholischen Kirche erinnert.

– Wie gesund ist masturbieren? 
– Was steckt hinter der Verzögerung der U-Bahn-Baustelle? 
– Ist Trump bei seinen eigenen Fans noch zu halten? 
– Warum haben sich die Nazis nicht an den neunten Bezirk herangewagt?

Jemand, der ein Leben lang kostenlos an Fragestellungen, Essays und Diskurs-Moderation gearbeitet hat, interessieren solche Fragen auch in der Rente nicht. ‒ Gutes Blatt ade!

4.
Für hartnäckige Fans noch ein Tipp wie aus dem ehemaligen Feuilleton.

Gib einfach die Fragen, die das rosa Blatt über seine Artikel stellt, selbst als Prompt in die nächstbeste KI ein!
Du wirst prompt kostenlos den Artikel geliefert bekommen, den die KI eben für dich aus der Zeitung gescannt hat.

STICHPUNKT 26|91, geschrieben am 27.11.2025

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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