In Tirol gibt es einen tollen Schlachtruf, der nichts bewirkt. Deshalb wird er immer erst ausgestoßen, wenn die Schlacht vorbei ist.
Als neulich der Wirtschaftskammerpräsident widerwillig zurückgetreten ist, wurde die Tiroler Ermunterung erst ausgesprochen, als dieser schon am Boden lag. – Aber sprachlich war die Sache eine Wucht. Da der Präsident Mahrer hieß, rief man ihm ungeschminkt tirolerisch zu: „Mahrer, es isch Zeit!“
Nun kann es diversen Berufsgruppen egal sein, wer in der überdimensionierten und fetz-reichen WKO das Sagen hat, durch Zwangsmitgliedschaften schleicht sich dieses Monster freilich auch in so freie Berufszweige wie die Schriftstellerei ein.
Sobald man die Hand mit mehr als zwei Fingern an der Tastatur hat, gerät man in Verdacht, die Schreiberei berufsmäßig zu betreiben und kommt mit der Finanz, und damit auch der Kammer, in Zwangsberührung.
Diese potentielle Zwangsmitgliedschaft zeigt wieder einmal das Zwitterwesen der Literaturproduzenten auf.
Einerseits sind sie prekäre Würmchen, die sich am Rande der Gesellschaft mühsam solidarisieren und ein Wir-Gefühl aufbauen, sei es als Marke Tirol oder AFEU-Literatur.
Anderseits ist jede schreibende Person ein Unternehmen, das in brutalem Konkurrenzkampf steht. Denn wenn die Kundschaft das Buch einer Kollegin kauft, geht jemand anderer leer aus, egal welchen Geschlechts er ist.
Die Nähe zur Wirtschaftskammer ist also durch das Element Unternehmertum gegeben. Auch die moderne Form des Startups oder EPU (Einzelpersonenunternehmen) treibt die Schreibenden in Scharen in die Zwangskammer hinein.
Man denke nur an die unsägliche Geschichte von Felix Mitterer, als er pressewirksam den Wohnsitz aus Tirol verlegen musste, um der Tourismusabgabe zu entgehen. Diese wird ja auch im Zusammenhang mit Unternehmertum einkassiert.
Umgekehrt sind viele Unternehmen mit der Schriftstellerei im Kontakt, weil diese laufend Firmengeschichten, Werbetexte oder Berufsfacharbeiten auf Bestellung abarbeitet.
Die KI wird da künftig Ordnung schaffen, indem sie alles gratis zugänglich macht, was Schriftsteller erarbeitet haben. Nur die Zwangsumlage wird noch an analoge Personen geknüpft sein.
Der gefallene Wirtschaftspräsident zeigt anhand seiner Biographie eine zusätzliche Querverbindung zwischen Schreiberei und WKO auf.
Er absolvierte seine Studien und tätigte erste Publikationen so um die Jahrhundertwende herum, als das sogenannte Coaching eine erste Blüte erreichte.
Viele von uns Schreibenden sind damals schriftliche Coaches geworden für Ratgeber, Literatur, Bildung und Lebensweisheit.
Bald entlarvte dieses Treiben ein Sprichwort in klaren Worten: „Wer kein Unternehmen führen kann, wird Unternehmensberater!“
Ein Gegenschwenk auf die Literatur zeigt es ungeschminkt: Wer es beim Schreiben zu nichts bringt, geht in einen Schriftstellerverband und beantragt dort Subventionen.
Jetzt wird wieder einmal aufgeräumt im Land der Kammern und Kameraden. Die Dichter freilich brauchen sich nicht zu fürchten, Aufräumen heißt in Österreich, dass es so bleibt wie es ist. Es wird höchstens das Ruhelager frisch überzogen.
STICHPUNKT 25|87, geschrieben am 14.11.2025