(c) Brigitte Fuchs
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Wenn der Verstand lockt – Das Flüstern des „vermeintlich leichten Weges“

Und welche Entscheidung treffen wir dann?
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Schwäche, die verführbar macht

Wissen Sie, wie es mir unlängst ergangen ist?

Es ging mir nicht gut.
Das Leben war gerade ein wenig anstrengend.
Ich war erschöpft, sehnte mich nach Ruhe, nach Leichtigkeit.

Doch wie so oft hatte das Leben einen anderen Plan.

Eine Herausforderung nach der nächsten kam auf mich zu.
Ein wenig zu viel für meinen Geschmack und auch ein wenig zu viel für meinen Körper.

Eine Zeit lang schlug ich mich tapfer.
Doch es hörte nicht auf.

Und dann bekam ich eine Mail. Von jemanden, den ich vor langer Zeit abonniert hatte. Ich hatte vergessen, dass ich auf dieser Verteilerliste stand.

Die Nachricht kam zu einem Zeitpunkt, an dem ich offen dafür war.

Ein Ausweg wurde mir versprochen.
Ein einfacher Weg.
Ein Weg, der alles möglich machen sollte: Geld, Glück, Freiheit, Liebe. … Alles, einfach alles.

Ich weiß, dass ich ein Gefühlsmensch bin und dass das nie mein Weg war. Und ich weiß, dass dies nie mein Weg war. Denn es ist ein mentaler Weg, der behauptet:

Wenn ich es mir nur vorstelle,
mich entscheide,
mein Ziel anvisiere,
das Richtige denke,
die richtigen Schritte mache,
dann bekomme ich alles, was ich will.

Also alles, was mein Verstand begehrt.

In diesem Moment war ich weit davon entfernt, auch nur ansatzweise, zu haben, was ich mir wünschte.

Und so spürte ich …

Im Bann des einfachen Versprechens

Ich spürte diese leise Verführung.
Dieses kaum wahrnehmbares Ziehen.
Diesen leichten Sog, der mich bereits in Bewegung brachte, noch bevor ich es wirklich wahrnehmen konnte.
Diese Bilder, die in mir entstanden.
Diese Erwartungen, die auf einmal nach einer Erfüllung drängten.
Diese Versprechen, die meine Hoffnung nährten.

Da war es also:
Dieses Begehren, das sich in mir entfaltete.

Und dann war er da:
der Impuls
.

Ein kurzer Atemzug,
ein einziger Klick –
und ich war auf der Seite.

Die vermeintliche Lösung war da.
Direkt vor mir.
So verführerisch, so nah.

Die Lösung – nur einen kleinen Klick entfernt

Es wirkte so einfach.

Warum sollte ich dieses Produkt nicht kaufen?
Warum es nicht einfach ausprobieren?
Es kostete ja nicht viel.

Denn was, wenn diese Person tatsächlich wusste, wie es ging?
Wenn es töricht wäre, mir dieses „exklusive“ Wissen entgehen zu lassen?
War ich dumm genug, weiter in meinem Leben herumzuwursteln?

Vielleicht war es wirklich so leicht.
Vielleicht lag nur ich in meinem Denken so daneben.
Ich, die davon ausging, es wäre herausfordernder.

Vielleicht musste man ja nur das Richtige finden.
Kaufen, lesen und anwenden.
Und plötzlich wäre alles möglich.

Denn genau so funktionierte es, schrieb er.
So hatte es in seinem Leben funktioniert
und so würde es auch in meinem Leben funktionieren.

Sein Leben war nun erfüllt.
Ein Leben, das alles hatte.

Ja, für einen kurzen Moment
war ich tatsächlich versucht, auf „kaufen“ zu klicken.

Es hatte seinen Reiz.
Den Reiz des Verstandes.
Den Reiz der Aussicht,
dass ich ohne Anstrengung
alles bekommen könnte,
was ich mir wünschte.

Eine Entscheidung

Aber dann,
kurz bevor ich den Button drückte,
hielt ich inne.

Ich atmete durch.
Und sah ich wieder klarer.

Jetzt erst spürte ich,
was diese Mail in mir ausgelöst hatte.
Was sie mit mir gemacht hatte.
Wie mich diese Worte in ihren Bann zogen,
wie sie eine Bewegung in mir auslösten.

Impulse tauchten auf.
Impulse, die nicht die meinen waren,
aber mich in eine Richtung schoben.

Ich spürte,
wie ich begonnen hatte diesen Zielen nachzulaufen,
die nicht die meinen waren.

Und da erkannte ich,
wie verführbar unser Verstand ist
.
Wie leicht und wie schnell er sich von fremden Stimmen beeinflussen lässt.

Von Stimmen, die ihm leise zuflüstern.
Die ihm nahelegen,
alles zu erreichen,
wenn er nur jetzt die richtige Entscheidung trifft.

Ein Flüstern aus uralten Zeiten

Ein wenig erinnerte mich dieses Geschehen an die alten Geschichten, die ich in meiner Kindheit hörte. Geschichten, die wie ein altes Flüstern weitererzählt wurden:

Ich verspreche dir… Es kostet dich nur so wenig …“

Jene uralten Verführungen, von denen seit Ewigkeiten erzählt wird. Früher nannte man es ein wenig dramatisch: einen Pakt mit dem Teufel schließen.

Es war jener Augenblick, an dem alles, was man sich wünschte, greifbar vor einem lag.

Man musste nur noch zugreifen.
Doch man zahlte einen Preis dafür.
Einen vermeintlich kleinen Preis.
Den Preis seiner Seele.

Und plötzlich fragte ich mich:
Wäre dieses Geschäft heute nicht ein ähnlicher Verkauf?
Kein Verkauf meiner Seele, sondern ein Verkauf meines „Spürens“?

Die neue Form klingt weniger dramatisch, aber die Wirkung scheint mir dieselbe zu sein: Du kannst alles haben, wenn du nur diesen einen kleinen Preis bezahlst.

Ein Deal,
der unseren Verstand lockt,
der ihn verführt.

Nur dieser kleine Button,
den ich klicken muss.
Einen kleinen Button von der Erfüllung meines Lebens entfernt.

Und nur allzu schnell
beginnen wir der Verführung nachzulaufen
und vergessen dabei völlig,
noch auf uns selbst zu achten.

Eine Entscheidung – für mich

Ich habe es nicht getan.

Ich habe die Seite geschlossen und die Mail gelöscht.

So einfach war die Rückkehr,
die Rückkehr zu mir selbst.

Und in diesem Moment spürte ich es:
Wie gut es sich anfühlt,
wenn man wieder bei sich selbst angekommen ist.

Im Hauptberuf selbstständige Psychotherapeutin mit freier Praxis in Innsbruck. Langjährige Erfahrung in der Begleitung von Menschen. Mehrere Publikationen in diesem Bereich. Erste Buchveröffentlichung: Das Buch des bewusst seins (ISBN-10: 3743101572, Book on Demand). Nebenbei Bloggerin und AFEU-Autorin.

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