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Schneller! Noch schneller!

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Gerade sorgt man sich allüberall um den Arbeitsmarkt. Wie man die Leute zum noch mehr Arbeiten animieren und wie man alle Frauen da hineinbringen könnte, woraus man sie bisher tunlichst heraußen hielt.

Wir steuern urplötzlich auf einen Mangel an Arbeitskräften zu. Das hat natürlich keiner kommen sehen. Wie auch sollte man wissen, dass die Babyboomer alle gleichzeitig in Pension gehen würden? Dass sie ein Jahrzehnt später alle gleichzeitig alt und pflegebedürftig werden könnten? Dass die Umstellung auf eine Nachhaltigkeitswirtschaft neue Arbeitskräfte benötigen würde? Nein, das konnte man wirklich nicht ahnen. Andererseits weiß außer den Statistikern heute auch noch kein Mensch, dass der Arbeitskräftemangel in wenigen Jahren schon wieder vorbei sein wird. Trotzdem wird man dann die geforderte längere Arbeitszeit wohl beibehalten und die Frauen und die Jungen und Alten, die man jetzt umwirbt, wieder heimschicken.

Minister Kocher hatte dementsprechend die glorreiche Idee, ein Ende der Teilzeit-Beschäftigung herbeizuführen. Die weniger werdenden Berufstätigen sollen gefälligst mehr arbeiten, damit die Wirtschaft brummt, die Gewinnmargen nicht einbrechen und die Firmen liefern, die Krankenhäuser Kranke betreuen und die Schulen Schüler lehren können. Aber das dürfen natürlich keineswegs Menschen aus jenen Ländern sein, in denen zu wenige eine Arbeit haben. Nur das nicht! Und der Präsident der Industriellenvereinigung schlägt vor, 20 Überstunden steuerfrei zu stellen. Demnächst wird wahrscheinlich die Familienministerin fordern, dass Frauen neben Vollerwerbstätigkeit auch noch mehr Kinder kriegen sollen, damit es sich mit dem Wohlstand (wessen Wohlstand?) und den Pensionen (wessen Pensionen?) in Zukunft ausgeht. Schuften bis zum Umfallen, da muss der Staat und die Firma später auch weniger lang weniger hohe Pensionen auszahlen. Eine Win-Win-Situation.

Jahre und Jahrzehnte schon hat man das Arbeitstempo derart erhöht, dass es die Kräfte zunehmend übersteigt und arbeitende Menschen vor die Wahl gestellt sind, krank zu werden oder in Teilzeit weniger zu verdienen (so sie sich das leisten können). Früher hatte eine Verkäuferin noch die Muße, mit der Kundschaft ein paar freundliche Worte zu wechseln, heute hetzt sie sich zwischen Lager und dem Ausschildern allmonatlich neuer Kollektionen ab. Früher konnte eine Pflegekraft noch mit dem Patienten ein wenig plaudern und eine Beziehung pflegen, heute ist sie mit der Stechuhr von einem zum nächsten unterwegs. Und ganz nebenbei fordern Arbeitsministerium und Industriellenverband auch noch lebenslange Fortbildung. Natürlich in der Freizeit. Und ganz nebenbei werden an Erziehung und Förderung der Kinder heute bedeutend höhere Ansprüche gestellt. Es erinnert wieder an Charlie Chaplin, der in Moderne Zeiten einem riesigen Zahnrad hinterherhetzte, bis es ihn aus der Bahn warf. Dabei hatte man uns versprochen, unsere Modernen Zeiten würden besser werden als die Dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Und ist Ihnen einmal aufgefallen: Alle Funktionäre im Arbeitsmarktbereich (außer die Gewerkschafter) sprechen bei Interviews so schnell, dass man ihnen kaum folgen kann? So zu beobachten beim Arbeitsminister Kocher, beim AMS-Vorstandsvorsitzenden Kopf, bei einer wissenschaftlichen Arbeitsmarkt-Beobachterin, die zum Thema befragt wurde. Diese haben offensichtlich das geforderte Tempo schon so verinnerlicht, dass sie sich sogar im Sprechen selbst überholen, sich geradezu vor Geschäftigkeit und Hektik überschlagen. Oder tragen sie dieses Tempo nur als Markenlogo vor sich her, um anschließend wie viele andere „Führungskräfte“ steuerfreie Überstunden in entspannten Meetings am Golfplatz oder im Nobelrestaurant abzufeiern? Für diese Menschen gehen sich die geforderten 20 Überstunden so auch locker aus, ohne dass sie lange vor Pensionsantritt einen Infarkt kriegen (Diesen, früher „Managerkrankheit“ genannt, erleiden jetzt vorwiegend sozial Schwächere und Frauen). Sogenannte Führungskräfte müssen wahrscheinlich auch nicht mehr bis weit nach 22h den Staubsauger und die Waschmaschine anwerfen und schlaflose Kinder trösten.

Nebenbei und zur ebenso oft wiederholten wie vergeblichen Erinnerung: Fast 50% der österreichischen Frauen arbeiten Teilzeit und sind trotzdem ausgepowert, denn sie leisten nebenher noch 60% der unbezahlten Care-Arbeit. Dafür kriegen sie weniger Lohn und am Ende weniger Pension. Aus Führungspositionen werden sie systematisch herausgehalten, obwohl mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich sind. Denn Leistung muss sich schließlich lohnen. Frauen leisten einfach zu wenig.

Und übermorgen ist wieder einmal Internationaler Frauentag.  Den gibt es seit über hundert Jahren. Wofür bloß?

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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