Denkmalcrash in Innsbrucks Partnerstadt

18. Feber 2025
1 Minute Lesezeit
(c) Helmuth Schönauer

Mock-Büste in Sarajevo zerstört

1.

Denkmäler sind dazu da, den Tourismus anzukurbeln. Der einzige Grund nämlich, um übers Wochenende in eine fremde Stadt zu fahren, sind die dortigen Denkmäler.

In Innsbrucks Partnerstadt Sarajevo wird deshalb 2020 eine Mock-Büste aufgestellt. Wegen der etwas fransigen Ausführung des Kopfes heißt das Ding ironisch „Mock-Bürste“.

Jedenfalls kann das Denkmal im Kemal-Monteno-Park Tagesausflüglern als Ziel dienen, um einmal um den Mock-Kopf herumzugehen, ehe es in der nächsten Stadt rund um die nächste Skulptur geht.

Für flüchtig in der Geschichte Wohnende: Alois Mock war analoger Außenminister der ÖVP, die damals noch ihre Wahlversprechen halten konnte, nämlich für ein gemeinsames Europa zu arbeiten.

Für das vom Zerfall gezeichnete Bosnien sollte Mock eine Hoffnung aussprechen: Dass in Europa alles gut werde!

Jetzt ist diese Hoffnung dahin, die Mock-Büste kaputt, die ÖVP  erledigt.

Unbekannte haben nämlich in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo vandaliert und den Steinkopf zerbröselt.

„Während die Büste bei früheren Angriffen nur vom Sockel gestoßen worden sei, wurde sie den Angaben zufolge diesmal komplett zerstört.“ (red./ORF)

Wer soll jetzt noch nach Sarajevo pilgern, um den Mock-Schrein zu umrunden?

2.

Im Zerlegen von Denkmälern und patriotischen Beschriftungen ist freilich auch Innsbruck kein Unschuldslamm.

Als man seinerzeit den Metallsteg über den Inn (er ist damals berühmt für sein Fahrradverbot) umbenennt in „Marie-Émile-Antoine-Béthouart-Steg“, dauert es nicht lange, da wird das Namensschild in den Inn geworfen. – Mehrmals. 

Eine Zeit lang muss man den Steg, dessen Name nun länger ist als er selber, sogar bewachen.

Erst als den Radfahrern das Überqueren am Steg erlaubt wird, findet das Schild in Augenhöhe seine Ruhe am Ständer. 

Niemand schert sich seither um den französischen Offizier Béthouart, der nach dem Krieg die Kultur in die entnazifizierte Stadt Innsbruck zurückgebracht hat.

3.

In Sarajevo soll sich bereits Stunden nach seiner Verwüstung niemand mehr um Alois Mock scheren. Aus dem Sockel ragt ein Metallstift ins Leere, was die Lage bestens abbildet.

Vielleicht fahren auch bald wieder Kopf-leere ÖVPler zum entleerten Denkmal, um sich daran aufzurichten.

STICHPUNKT 25|15, geschrieben am 11.02. 2025

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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