Burnout – so trifft es auch dich!

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7 Minuten Lesedauer

burnoutEs ist doch einfach furchtbar traurig. Täglich kommen neue Ratgeber und Artikel heraus die Burnout vermeiden oder zumindest hinauszögern sollen. Wer in dieser Flut dann ab und zu doch mal einen solchen Artikel anklickt und liest, der fühlt sich dann meistens ein wenig ertappt, nickt zustimmend und nimmt sich vor, ab morgen besser auf sich und seine Kräfte zu achten. Wie traurig ist das denn bitte?
Wir sind so weit gekommen, dass wir uns allen ernstes damit befassen, wie wir es schaffen ein Burnout zu vermeiden, es zu besiegen, es hinauszuzögern, Herr darüber zu werden. Das ist doch krank? Mitten in dem alarmierendem Zustand, indem uns unser Körper sagt, hey, stopp, so geht es nicht mehr weiter, ich habe keine Kraft mehr, beschäftigen wir uns damit wie wir diesen Zustand noch möglichst lange hinauszögern können? Setzen uns wieder ein Ziel. Haben allerhand Maßnahmen parat die wir dann nach einem strikten Plan auch dringend, und zwar wirklich dringend (!), umsetzen wollen. Viel widersprüchlicher geht es doch kaum.
Gehen wir etwas tiefer in die Absurdität. Wie sehen diese Maßnahmen zur Burnout-Verzögerung denn eigentlich aus? Meistens ist es eine Mischung aus abgedroschenen Zeitmanagement– und Ernährungsweisheiten die wir zu lesen bekommen und uns fest zu Herzen nehmen. Ganz im Stile von: Setzen Sie sich bewusste Zeitfenster in denen Ihr Handy einmal ausgeschalten ist. Beantworten Sie keine Mails nach 24:00 Uhr. Unternehmen Sie etwas mit Freunden oder der Familie. Suchen Sie sich Hobbys die sie wirklich mögen. Essen Sie weniger Fleisch und mehr Gemüse. Ja Himmel hilf. Was soll denn das?
Ist das allen ernstes die Reaktion unserer Gesellschaft auf immer mehr ausgebrannte Menschen? Väter, Mütter, Söhne, Töchter, Freunde und Bekannte die sich in ihrem Beruf dermaßen aufopfern, dermaßen viel Zeit und Kraft investieren, dass sie an den Punkt kommen, in denen sie sich wieder Hobbys suchen müssen, sich vornehmen müssen bewusst Freunde zu treffen, weil sie sich vorher jahrelang nicht mehr darum gekümmert haben? Das ist die Reaktion? Das ist in etwa gleich pervers, wie einem Kind das immer wieder auf die heiße Herdplatte greift, einen Vereisungsspray in die verbrannte Hand zu drücken, anstatt ihm zu erklären wieso es so weh tut. Oder wäre es nach unseren heutigen Ansichten vielleicht besser gewesen die Sklaverei nicht abzuschaffen, sondern zu erklären, dass man beim Abbau von Kaffee doch wunderbar die Natur und das gemeinschaftliche Schaffen genießen könne?
Hoffentlich Schütteln jetzt viele ungläubig den Kopf und finden dieses Beispiel ebenso absurd – wie es auch ist. Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten, ganz unter dem Deckmantel wirtschaftsliberalen Gedankengutes und dem Drang zu allumfassenden Gleichberechtigung, selbst ins Out geschossen. Dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und jeder von der gleichen Basis aus starten darf, soll, muss, sind ja schöne Grundgedanken und Werte die ich durchaus vertreten und befürworten kann. Doch wir vergessen hier eines entscheidend. In einer Gesellschaft die nach diesen Prämissen lebt, herrscht ein eisiges Klima. Da sollte man diverse Ellenbogentechniken am besten mit der Muttermilch aufsaugen und schneller lernen, als stabil im Leben zu stehen.
Wir leben in einer Gesellschaft der perfektionierten Blender- und Heuchlerei. Nächstenliebe, Zivilcourage, Respekt und kollektives „Auf-einander-schauen“ haben sich in eigens geschaffene Institutionen und Vereine zurückgezogen und sind längst aus dem Bewusstsein des Einzelnen geflogen. Den Vereinen können wir dann 5 Euro im Jahr spenden und uns dabei gut fühlen. Soll erfüllt. Im Alltag bleibt keine Spur von sozialer Intelligenz und einem gesunden Miteinander.
Jeder gegen jeden lautet die Devise. Ob man will oder nicht, bei diesem Spiel kommt keiner aus der Überleben will. Wir haben uns in die Steinzeit zurückkatapultiert. Mitbekommen tun wir das jedoch alle nicht mehr. Viel zu bunt, zu schön, zu glänzend sind all die Werbetafeln, HD-Flatscreens und Geldscheine – unsere Preise die wir erhalten haben, für eine kalte, grausame, absurde Welt in der Leute Gemüse fressen und Freunde treffen müssen, um nicht an ihr zu Grunde zu gehen. Traurig.
Es ist an der Zeit etwas zu ändern. Und es ist an uns dies auch zu tun. Unsere Generation steht in der Verantwortung neue Arbeitsformen zu schaffen. Arbeitsformen die sich an den sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen orientieren und Werte wie Nächstenliebe und „Aufeinander achten“ implizieren. In einer Zeit in der das eigene Leben, die eigene Familie vom Stellenwert her weit hinter jenen unserer Arbeit gerutscht ist, kann nur eine Veränderung des Begriffs Arbeit die Lösung sein.
Ich will nicht am Sterbebett liegen, mich zwanghaft ans Leben klammern, weil ich nie gelebt habe und es verpasst habe meine Kinder und Enkel aufwachsen zu sehen. Ich möchte nicht sagen müssen, dass ich für das und jenes keine Zeit hatte, weil ich es immer vor mir hergeschoben habe. Ich möchte kein Gespräch, ob traurig, heiter oder hitzig, missen. Ich möchte nicht sagen müssen, dass ich es verpasst habe am Leben teilgenommen zu haben. Ich möchte sagen: Ich habe gelebt. Nicht ich habe gearbeitet.

Und es ist unsere Aufgabe (uns) das zu ermöglichen!!!

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

2 Comments

  1. Großartig! Vor allem weil ich weiß, dass sich dieser tolle Text an realen Personen orientiert. Mögen sie diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.

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