Konzert in der Altstadt (c) Lukas Wallner

Konzerthighlight bei freiem Eintritt

Samstag, 29. April 2023, 20 Uhr, Haus der Musik Innsbruck.

9 Minuten Lesedauer
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Am kommenden Samstag, dem 29. April 2023, findet um 20 Uhr im Haus der Musik in Innsbruck wieder ein ganz besonderes Konzert statt. Und zwar jenes der Stadtmusikkapelle Innsbruck – Mariahilf / St. Nikolaus.

Grund genug um das Konzert hier anzukündigen und gleich noch ein Interview mit Stefan Gritscher (Kapellmeister) und Thomas Geineder (Kapellmeister Stv. & Jugendreferent Stv.) dranzuhängen. Die beiden verraten viele spannende Geheimnisse rund um die Programmauswahl; die es in sich hat.

Lieber Stefan, lieber Thomas, in die Zusammenstellung des Konzertprogramms fließen ordentlich Hirnschmalz und Herzblut. Wie wurden diesmal die Stücke ausgewählt?

Stefan: Wir haben viele Versprechen eingelöst, bewährte Stücke neu instrumentiert und auf die Stärken unserer Musiker:innen gesetzt. Das hört man zum Beispiel beim Auszug aus der 5. Symphonie von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Ein Franz Waxman darf natürlich auch nicht fehlen. Kein Konzert ohne Franz Waxman.

Dazu kommen wir später. Aber welches Stück ist das versprochene?

Stefan: „Tirol 1809“, von Sepp Tanzer, hat sich unser Baritonist Erwin Heinz schon vor Jahren gewünscht. Dahinter steckt eine lange und persönliche Geschichte. Durch eine Reihe von Verzögerungen kommt es erst heuer auf die Bühne.

Was macht das Stück, für den neutralen Zuhörer, besonders?

Tom: Es ist eines der wenigen Werke aus der traditionellen Blasmusik, das noch regelmäßig gespielt wird.

Stefan: Ja, es gibt kein vergleichbares Werk in der Tiroler Blasmusikliteratur. Es ist sehr umfangreich, aber natürlich auch patriotisch aufgeladen und aus heutiger Sicht vielleicht überhöht. Musikalisch betrachtet ist es sehr effektvoll. Es gibt viel Blech zu hören.

Ein Konzert mit wunderbaren Blechbläserstellen und einem fulminanten Hornsolo.

Du sprichst die politische Dimension des Stücks an. Tirol 1809, die Zeit der sogenannten Freiheitskämpfe. Alles sehr politisch und durchaus kompliziert. Wie gehst du als Kapellmeister damit um?

Stefan: Sepp Tanzer ist in der Tiroler Blasmusikgeschichte ein großer und bekannter Name. Aufgrund seiner Biografie ist er auch eine historisch umstrittene Person. Über seine Rolle im Nationalsozialismus wurde viel geschrieben, bis zum heutigen Tage wird darüber diskutiert. Dieses Spannungsfeld erfährt im Inhalt der Suite noch eine Verdichtung: Der erste Satz der Suite heißt „Aufstand“, dann kommt „Schlacht am Bergisel“ und der letzte Satz heißt „Sieg“.

Dass das Ende geschichtlich falsch ist, wissen wir. Doch wenn man genau hinhört, passiert musikalisch etwas Anderes. Es bleibt nicht beim pathetischen Jubelgeschrei, im Gegenteil. Ehe sich das Tor der Legende zum „Ende gut, Alles gut“ schließt, wird es leise, idyllisch. So als hätte Tanzer die Realität verlassen. Das Werk entstand 1952. Sepp Tanzer war in der Südtirol Frage parteiisch. Vielleicht war das seine Art damit umzugehen. Keine Realität. Vielmehr Vision, Schwärmerei, Träumerei und Hoffnung. Für mich als Kapellmeister sollte es in erster Linie um die Musik gehen, wenn es aber gelingt, einen solchen möglichen Subtext aufzuspüren, bereitet das besondere Freude.

Politik sollte eine Programmauswahl also nicht beeinflussen?

Stefan: Die politische Dimension stellt einen legitimen Diskussionspunkt dar. Eine separate Beurteilung zwischen den Handlungen und Einstellungen des Menschen im geschichtlichen Kontext und der Qualität seiner Werke als Künstler ist nur schwer möglich. Eines der berühmtesten Beispiele diesbezüglich ist Richard Wagner. Wir beschäftigen uns natürlich laufend auch mit Künstlern einer ganz anders verlaufenen Lebensgeschichte, wie eben Franz Waxman. Er musste als Jude aufgrund der schrecklichen Verfolgung im Nationalsozialismus in die USA fliehen. Vieles hat eine historische Dimension.

Bleiben wir bei Franz Waxman. Stefan, dass du zu dem Komponisten, besser gesagt zu seinen Nachfahren eine besondere Beziehung hast, haben wir letztes Jahr besprochen. Warum heuer „Prince Valiant“ – „Prinz Eisenherz“?

Stefan: „Prince Valiant“ ist für mich dessen magnum opus. Zusammenstellung und musikalischer Fluss der Filmmusik-Suite sind wunderbar gelungen. Wir haben dieses Werk schon seit vielen Jahren im Repertoire und es ist aufgrund seines Schwierigkeitsgrades immer auch ein Gratmesser, wo die Kapelle von ihrem Potential her steht. Es ist ein sehr komplexes Stück, das alles beinhaltet wofür Franz Waxman steht. Virtuosität. Intellekt. Tradition. Aufbruchstimmung.

Das Hauptmotiv ist eine brillante Umkehrung des Schwertthemas aus dem „Ring des Nibelungen“ von Wagner. Genial. Die rasenden Triolen erinnern an „Don Juan“ von Richard Strauss. Man spürt, dass Waxman tief in der europäischen Musiktradition verwurzelt war, gleichzeitig aber auch aufgeschlossen gegenüber allen neuen Einflüssen. Moderne zeitgenössische Komponisten, Jazz. Alles interessierte ihn. Die Erfahrung damit floss in seine Musik ein und wurde dabei in seine ganz eigene Tonsprache übersetzt. All das kann man in „Prince Valiant“ gut erkennen.

Eingangs habt ihr die 5. Symphonie von Tschaikowski erwähnt. Warum steht die am Programm? Zumindest ein Auszug aus dem Andante?

Stefan: Weil dieses Stück eines der größten Hornsoli überhaupt beinhaltet. Es ist sehr lang und sehr schwer. Das richtige Tempo ist entscheidend. Um dieses Werk spielen zu können, ist ein ausgezeichneter Hornist notwendig. Und mit Stefan Buchwieser haben wir so einen. Ein wunderschönes Stück.

Tom, gemeinsam mit Lea leitest du das Jugendorchester. Ihr habt auch einen Auftritt beim Konzert. Wie geht es euch in Sachen Jugendarbeit?

Tom: Es macht große Freude. Leider hat Corona aber seine Spuren hinterlassen. Gerade im jungen Alter sind Zusammenhalt und Zusammenspiel so wichtig. Wenn das über mehrere Monate nicht funktioniert, hören viele junge Musiker:innen auf. Doch jetzt sind wir wieder aktiv und voller Tatendrang. Heute werden wir zwei Stücke präsentieren. Einen Auszug aus der „Arlesienne Suite“ von Bizet mit einer eingängigen Melodie, sehr virtuos. Es ist wundervolle Musik, Weltliteratur. So etwas mit einem Jugendorchester zu erarbeiten ist richtig cool. Und einmal mehr Filmmusik. Eine schöne Mischung. Und genau richtig. Schließlich wollen wir junge Musikant:innen ja an die große Kapelle heranführen.

Kapellmeister Stefan Gritscher (c) Lukas Wallner
Kapellmeister Stefan Gritscher (c) Lukas Wallner

Apropos Kapelle. Wie ist der aktuelle Status?

Stefan: Wir haben im Moment viele neue Leute. Viele Studenten. Auch aus der Region. Es hat sich super entwickelt. Die Stimmung ist großartig.

Tom: Absolut. Die Stimmung ist genial. Es gibt selten jemanden, der reinschnuppert und dann nicht bleibt. Die Register sind alle sehr ausgewogen. Die Trompeten haben sich zuletzt von drei auf neun sogar verdreifacht.

Stefan: Es ist eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Die Leute sind von unserem Weg zwischen Tradition, Pflege guter Musik und Offenheit überzeugt. Jeder hat Lust. Corona war insofern durchaus positiv. Alle wollen. Noch intensiver und bewusster. Das ist wunderschön.

Programm Frühjahrskonzert 2023

  • Georg Friedrich Haendel, „Music for the Royal Fireworks“ – La Réjouissance
  • Pjotr Iljitsch Tschaikowski, „Themenfolge aus dem Andante der 5.Symphonie“ Stefan Buchwieser, Horn
  • Franz Waxman, „Prince Valiant“ Suite aus der Filmmusik (1954)
  • Julius Fucik, „Florentiner Marsch“                        
  • Jugendorchester-Beitrag
  • Sepp Tanzer, „Tirol 1809“
  • Jerry Goldsmith, „First Knight“ Suite aus der Filmmusik (1995)

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

2 Comments

  1. Warum nicht mal ein Werk von Werner Pirchner? Seine „Fire-Water-Music“ wäre doch eine schöne Ergänzung zu Händls „Fireworks-Music“, die im Programm steht. Meines Wissens ist Werner Pirchner, mittlerweile wohl der bekannteste Tiroler Komponist der Nachkriegszeit, noch nicht wirklich im Repertoire der Tiroler Blasmusikkapellen angekommen. Was ich schade finde. Wünsche der Kapelle jedenfalls gutes Gelingen für ihr Konzert.

    • Stimmt. Sehr gute Idee. Werner Pirchner hätte ohnehin viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Das oben beschriebene Konzert war jedenfalls ein Highlight und der Tradition unsere Kapelle entsprechend vielseitig, mit einem leichten Hang zur Filmmusik. Werde die Pirchner-Idee jedenfalls weitergeben.

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