(c) Helmuth Schönauer

Geht doch!

3 Minuten Lesedauer

Kluge Sätze kann man doppelsinnig lesen, weshalb sie die Sympathie von doppelt soviel Usern erreichen wie schwache Sätze. 

(Wenn man keine Brille aufhat, wirkt das Wort User wie Unsinn, merke ich gerade ohne Brille.)

Aber hier soll eine andere Wortfügung ins Auge stechen: 
Der schnoddrige Satz „Geht doch!“ kann einmal heißen, dass es ja eh funktioniert, zum andern, dass jemand abhauen soll.

Gut gebrauchen konnte man dieses Unding dieser Tage bei der Lektüre der Statistik Austria über das letzte Jahr.

Diese Statistik hat die Aufgabe, den Benützern Gutes und Schlechtes zu erzählen, je nachdem, welche Stimmung gerade angesprochen werden soll.

Die Zahlen sind selbstverständlich unverschämt trocken und gefühlsarm, aber bei der Lektüre gehen sie auf wie Brausepulver bei dröhnendem Grippekopf. 

Für Kenner ist heuer ein schöner Kommentar eingebaut: 
Im Jahr 2022 starben in Österreich um fast 10.000 mehr Menschen, als geboren wurden.
„Bereits die vorläufigen Daten zeigen ein Geburtendefizit von 9.909 Personen, da auf 82.198 Neugeborene 92.107 Sterbefälle kamen.“

Was nicht mehr in der Statistik steht, ist die Tatsache, dass dadurch wohl 10.000 Wohnungen frei geworden sind. Gerade die Alten sind berüchtigt für den vielen Wohnraum, den sie sich während des Lebens unter das Sitzfleisch gekrallt haben und den Jungen vorenthalten.

Jetzt kommt das schöne „Geht doch“ ins Spiel.

Mit Freude können die einen die ausgestorbenen Wohnungen in Besitz nehmen nach dem Motto: Der Wohnungsmarkt funktioniert ja, wenn man lange genug wartet.

Und in Gegenden, wo noch immer zu wenig Wohnraum ist, kann man den Befehl ja schriftlich formulieren: Geht doch – wenn möglich selber auf den Friedhof. 

Allmählich dämmert es den politischen Kräften im Land, dass man mit ewig Weiterbauen nicht weiterkommt, man wird auch hier wieder auf Bio setzen müssen, um den Wohnraum neu zu verteilen.

Die Gemeinde Steinach ist übrigens gerade dabei, einen Baustopp zu verhängen, weil Bauen nichts bringt als Zuzug.

Denn beim Bauen hängen dann letztlich alle unter der Autobahnbrücke und jammern, dass sie den Verkehr nicht mehr aushalten, der über ihre Köpfe rollt.

Nein nein, Bauen bringt es nicht, klug Sterben ist die Lösung.

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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