(Un-)happily ever after

Wie viel den Lokalpolitikern das Glück der Innsbrucker:innen wert ist.
21. Mai 2025
2 mins read

Innsbruck, die Stadt mitten in den Alpen. Anziehungspunkt für sportbegeisterte Studierende aus nah und fern. Und auch die Einheimischen lieben den Glanz der nächtlichen Lichter auf Nordkette und Bergisel, den Patscherkofel, um den der Föhn pfeift, bevor er durch die Gassen der Alt- und Straßen der Neustadt weht.

Diese schöne Alpenstadt ist nun vom Happy City Index Platz 29 auf Platz 105 abgerutscht – beim Blick aus dem Fenster kaum zu glauben.

Das sollte doch eigentlich auch unsere Politik stutzig machen. Und tatsächlich, pro forma und weil Gelegenheit für politische Schuldzuweisungen inklusive, macht man sich für Zeitungsinterviews Gedanken über das sinkende Glück.

Währenddessen spaziere ich von der privaten Kinderkrippe nach Hause, in der Hoffnung, mein ungeborenes Kind würde dort wenigstens auf die Warteliste gesetzt. Ich denke an die vielen schönen Zweizimmerwohnungen, die in den letzten Jahren neu gebaut wurden. An das natürliche Naherholungsgebiet, an das Sportangebot.

Meine Lebensqualität war höher, als ich all das nutzen konnte. Liegt es also, wie Bürgermeister Anzengruber verlauten lässt, an den geänderten Bewertungsmethoden, dass Innsbruck schlechter abschneidet? Oder wurden einfach Leute befragt, deren Lebensumstände sich nicht mit denen der Sportlich-Ungebundenen decken?

Wurde vielleicht bei der Bewertung mitbedacht, dass zu wenig Kindergartenplätze vorhanden sind, deshalb Kinder länger in der Krippe bleiben und Eltern (oder, ehrlicher: Mütter) länger unbezahlt zu Hause in den überteuerten vier Wänden sitzen und sich selbst um die Betreuung der Kleinsten kümmern? Da hilft es auch nichts, sich eine private und kostenintensive Kinderkrippe schön zu reden. Denn auch, wenn den Eltern die Kinderbetreuung den Preis wert ist, ist ein Platz in der Einrichtung nicht garantiert. Was mich direkt zur Frage führt: Was ist die Kinderbetreuung der Stadt wert?

Vielleicht wurden auch Menschen befragt, die pflegebedürftige Angehörige haben oder schon viel zu lange auf OP-Termine warten. Die sich in der Klinik den Hintern auf den ungemütlichen Plastikstühlen wundsitzen, bevor sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt werden. Denn während das Interesse an Studienplätzen an der medizinischen Universität groß ist, scheint der Personalmangel in der Pflege Löcher in den Betrieb zu reißen, die wohl auch gesunden Innsbrucker:innen ihr Glück vermiesen dürften.

Lassenberger, wie es sich für einen FPÖ-Politiker gehört, nennt unter anderem die Massenzuwanderung als Problem für soziale Konflikte in der Stadt. Er meint mit Migrant:innen vermutlich die, die den alteingesessenen Innsbrucker:innen genau die Wohnungen wegnehmen, in denen sowieso niemand wohnen möchte und die ansonsten leer stünden oder von den Vermietern endlich renoviert werden müssten. So können die Eigentümer:innen munter auch noch Geld für diese Absteigen verlangen.

In Innsbruck wohnen rund 130.000 Menschen. Wenn es nun von bereits genanntem Politiker heißt, eine geplante Enteignung von Grundstücken würde den Rankingverlust im Happy City Index erklären, frage ich mich, wie viele von diesen 130.000 Innsbrucker:innen über Grundstücke in der Stadt verfügen und lehne mich so weit aus dem Fenster, zu sagen: Ein für den Happy City Index relevanter Anteil kann es nicht sein, sonst säßen wir alle längst in unseren schön geräumigen Eigentumswohnungen, anstatt uns zu immer mehr in immer kleinere Räume zu zwängen.

Ach übrigens: Falls noch wer auf der Suche nach einer preiswerten Dreizimmerwohnung ist: Ein namhafter Innsbrucker Bauträger vermietet Dreizimmerwohnungen von geräumigen 39 m² für nur 1.400 € im Monat. Vielleicht lässt das den persönlichen Happy Index der Wohnungssuchenden ja wieder steigen?

Mag sein, dass ich in einer Blase lebe, genauso wie die Herren Politiker. Doch wage ich zu behaupten, dass meine der Lebenswirklichkeit der Durschnitts-Innsbrucker:innen näher ist. Die Reaktion der Politik lässt mich zweifeln, ob ihnen das Glück der Wählerschaft mehr als eine lapidare Begründung wert ist.

Geboren 1992 in Südtirol, Studium der Germanistik und Spanisch in Wien, lebt in Innsbruck. Jahrelange Tätigkeit als Texterin im Print- und Online-Marketing, schreibt Essays, Gedichte, Kurzgeschichten.

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