Regenbogenkult ade! *

29. September 2025
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Foto von Austin Schmid auf Unsplash

Es soll Menschen geben, die die Welt nur in Schwarzweiß sehen. Achromatopsie heißt diese unheilbare Sehschwäche, sie ist meist erblich. Darunter litten schon die Vorväter der heute Betroffenen. Vielleicht entwickelten jene deshalb einen Hang zu schwarzen und dunkelbraunen Uniformen, weil sie ihnen die Orientierung erleichterten. Und die Blonden und Hellhäutigen sahen für sie wirklich ganz anders aus als andere Menschen. Deshalb muss man sie für ihre Taten entschuldigen. Denn das Blut, das sie vergossen, war in Ihren Augen ja nur eine undefinierbare schwarze Soße.

Das fatale Erbgut stirbt leider nicht aus. Fälle totaler Farbblindheit nehmen in letzter Zeit gerade in politischen Führungsetagen sogar weltweit zu. Und in einer Führungsposition kann man schließlich leichter eine rein schwarzweiße Welt behaupten, ohne gleich als Behinderter erkannt zu werden. Man sucht sich dann eben eine Anhängerschaft, die bestätigt, dass man richtig sieht. Und schließlich sind die Texte, die die Anhänger zu sehen bekommen, ja auch in Schwarzweiß. Wer also nur noch auf die entsprechenden Messages starrt, ist leicht zu überzeugen.

Die Lust auf Farbenreichtum nimmt deshalb zurzeit rapide ab. Als vorübergehendes Phänomen wäre das nicht verwunderlich. Farbmoden kommen und gehen zu allen Zeiten. Doch wenn die Farbenlehre einmal zur tausendjährigen Vorschrift wird? Erinnern wir uns an die Epoche vor 100 Jahren, als der von harten Konturen geprägte Schwarzweiß-Holzschnitt seine Blütezeit erlebte. Kurz davor hatte man noch impressionistisch in feinsten Farbschattierungen geschwelt. Normalerweise wäre man nach ein, zwei Saisonen zur Mehrfärbigkeit zurückgekehrt. Doch die Schwarzmalerei wurde zur tausendjährigen Staatsmode erklärt. Es folgten die dunkelsten Jahre der neueren Geschichte. Und heute? Die Regenbogenfahnen verbleichen traurig vor den Fenstern. Sanfte Mischtöne kommen aus der Mode. Farbenfrohe Flowerpower bloß noch eine peinliche Erinnerung der Großeltern. Wer schick sein will, trägt Schwarz. Wenn noch einer Farbe wagt, muss es zumindest uni und eine der exakt vorgegebenen Einheitsfarben in einem ganz bestimmten Blau-, Rot-, Schwarz- bzw. Türkis-Ton sein. Grün ist höchstens noch als Trachtenfarbe erlaubt. In den USA stehen überhaupt nur noch 2 Farben, Blau oder Rot, zur Auswahl **, und bei Gesichts- und Haarfarbe existiert offiziell sowieso nur mehr Schwarz oder Weiß, ebenso wie es seit neuestem dort auch nur noch zwei Geschlechter gibt, obwohl die Biologie unendliche Abstufungen kennt. Kein Wunder, dass Kickl nun Trump zum großen Vorbild erklärt. Ein Blinder marschiert eben nicht gerne allein. Und in einer Schwarz-Weiß-Welt kennt auch ein schwerst Sehbehinderter sofort die Eigenen und die Anderen auseinander. Schattierungen würden da nur verwirren.

Wer nach wie vor die Buntheit liebt, ist der Feind. Regenbogenfahnen vor öffentlichen Gebäuden eine Schande, die in den Mistkübel gehört! Regenbogenparaden pures Teufelswerk! Nichts soll es mehr geben als „Manderl und Weiberl“! *** Und so ein Blödsinn wie ein fröhlich-bunter Zebrastreifen hat bei uns wirklich nichts verloren! Fortan wieder alles in Schwarzweiß, bitte! Aber eines ist zu beachten: Man trete ja nicht beim Begehen eines Zebrastreifens mal aufs schwarze und mal aufs weiße Feld! Die Straßenseite öfter von links nach rechts und retour wechseln, das ist erlaubt, ja sogar gefordert. Aber bitte immer nur im Einklang mit der einmal zugewiesenen Farbe, damit du, egal wohin du marschierst, zu jeder Zeit weißt, wo du hingehörst. Überlege also in Zukunft vorsichtig jeden deiner Schritte — oder lerne grazil zu hüpfen!

*) Einer von Herbert Kickls Lieblingsbegriffen seit dem Wahlkampf 2024, neu aufgewärmt beim Parteitag der FPÖ vergangenes Wochenende

**) Vgl Afeu Beitrag „Rote Krawatten“, vom 12.5.2025  

***) Zitat des FPÖ-NR-Abgeordneten Gruber. Er reißt eine Regenbogenfahne ab und will die Pride verbieten.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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