Wie sehr das Literaturgeschäft eine einzige Promotion-Aktion ist, lässt sich zeigen, wenn man die Bestenliste des ORF anonymisiert liest.
Die besten 10 im Oktober 2025
Die Jury hat aus den unzähligen Neuerscheinungen ihre Lieblingsbücher gewählt.
1.
Das Buch ist eine Art Wimmelbild der serbischen Geschichte des 20. Jahrhunderts und spannt einen Bogen von der Zeit der Jahrhundertwende bis hin zum Zerfall Jugoslawiens in den 1990er-Jahren. Das Herzstück des Romans bildet dabei das Jahr 1941, das heißt jenes Jahr, als die deutsche Wehrmacht in das damalige Königreich Jugoslawien einmarschierte, den Staat zerstückelte und in Belgrad eine Marionettenregierung einsetzte.
2.
Auf mehr als 1000 Seiten erzählt der Roman von individuellen Schicksalen im Schatten der europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Beginnend am Vorabend des 1. Weltkriegs, über die Wirtschaftskrise der 1920er-Jahre, den Aufstieg der Nationalsozialisten, den 2. Weltkrieg, dem kommunistischen Totalitarismus Osteuropas und seinem Nachwirken bis in die 1990er-Jahre. Was die Erzählfäden miteinander verbindet, ist die Donau, an deren Ufern die Romanhandlung über weite Strecken verortet ist.
3. ex aequo
Dass die Hühnerbrust durch eine Krankheit verhärtet, die Schlachthühner wertlos macht, ist hier Problem und Metapher. Jeder muss Federn lassen, für sein kleines Glück kämpfen in diesem Gesellschaftsroman: Die alleinerziehende Fließbandarbeiterin. Der Manager mit weichem Kern. Der blinde Dichter aus Afghanistan.
3. ex aequo
Er selbst ist zweisprachig aufgewachsen: mit Deutsch und Englisch. Die zweisprachige Südkärntner Gegend ist einer seiner Lebensmittelpunkte. Seine Eltern haben hier vor Jahrzehnten ein Haus erworben, der Vater war hier als britischer Offizier stationiert. Das hat sie nicht davon abgehalten, dem Nationalsozialismus zu huldigen: der eigene Großvater wurde zu einem wichtigen Rädchen in der NS-Propagandamaschinerie.
5.
Durch die Zerstörung der Natur und extreme Wetterereignisse wie Waldbrände oder steigende Meeresspiegel verlieren viele Menschen ihren Lebensraum. Der neue Roman handelt von einer Forschungsstation in der Natur: Dort kämpfen Wissenschaftler verzweifelt gegen das Artensterben.
6. ex aequo
Der Roman ist jedoch nicht blutrünstig, sondern poetisch und hart: er seziert eine Familie über vier Generationen, ausgehend von einem Bauernhof in der Nazi-Zeit. Es geht um wortkarge Menschen, die alles anders machen wollen als ihre Vorfahren und deren Lebenswege doch vorgezeichnet sind: um verletzte Verwandte, die sich in Möbel und Pflanzen verwandeln.
6. ex aequo
Die Autorin ist als Kind zweier Kulturen aufgewachsen: Mit einer japanischen Mutter und einem österreichischen Vater verbrachte sie ihre Schulzeit in Niederösterreich, später studierte sie in Wien und Berlin. Wie stark die Sprache und Kultur Japans ihre Literatur prägen, zeigt auch ihr jüngstes Buch eine Sammlung von Kurzgeschichten. Immer wieder verwebt sie europäische Erzähltradition mit Elementen der japanischen Literatur: poetische Verdichtung, das Spiel mit Andeutungen und eine fantastische Erzählweise, in der Alltägliches plötzlich ins Traumhafte kippt.
8.
Der Umgang mit Fakten und wie leichtfertig mit offensichtlichen Unwahrheiten Politik zu machen versucht wird, ist uns seit einigen Jahren sehr bewusst geworden. Und seither diskutieren viele, wie Lügen ausgeschildert und wirkungslos gemacht werden können. Eine philosophische Aktivisten-Gruppe führt im Roman einen erbitterten Kampf gegen Fake News und Verschwörungstheorien, und es geht um die Frage: Gibt es die „absolute Wahrheit“ überhaupt? Oder nur Meinungen? Niemandem ist zu trauen in dieser Mischung aus Krimi, Satire und Geschichte der Wahrheits-Philosophie.
9.
Es geht um die Geschichte des sogenannten „Sendero Luminoso“, einer maoistisch ausgerichteten peruanischen Guerilla-Gruppe, die das Land ab den 1980er Jahren nach dem Vorbild der chinesischen Volksrepublik umgestalten wollte und dafür in den Untergrundkampf ging. 10 Jahre sollte Peru in bürgerkriegsähnlichen Zuständen versinken, insgesamt 70.000 Menschen starben, vorwiegend Angehörige der indigenen Bevölkerung. Der Roman spult zunächst 25 Jahre zurück und dann 25 Jahre nach vorn – und führt uns durch ein zwielichtiges Labyrinth aus Katakomben, Irrenanstalten und internationalen Gefängnissen.
10.
Im Zentrum des Romans steht das Verschwinden zweier Holländerinnen im lateinamerikanischen Dschungel. Dem rätselhaften Schicksal der beiden Frauen möchte ein Theaterregisseur nachspüren und begibt sich mit einem mehrköpfigen Team hinein in den dunklen Urwald.
Was lernen wir daraus?
Lässt man Titel und Namen weg und konzentriert sich auf den puren Text, so sieht man erst, dass es sich bei Büchern meist um Mogelpackungen handelt, die uns vorgaukeln, es stünde etwas Wesentliches drin.
Der ORF betreibt mit dieser Bestenliste perfektes Marketing und verkauft uns das Lesen als einen kulturellen Akt, dem er als öffentlich rechtliche Anstalt zu huldigen hat.
Im Prinzip jedoch werden wir hineingelegt wie Kinder, denen man Überraschungseier andreht, damit sie fett und ruhig gestellt werden.