Juwelendiebe

10. November 2025
1 Minute Lesezeit
Foto von J Yeo auf Unsplash

Ein Held, wer genug auf einmal zu klauen imstande ist! – So sieht es sogar die Masse der Bestohlenen, die sich mittels Heldenverehrung über die Verluste hinwegzutrösten versucht. Dergestalt ernteten ehedem die englischen Bankräuber die Bewunderung der Massen und wurden zu Filmstars. Demnächst vielleicht die Juwelendiebe des Louvre. Oder gar die Habsburger. Oder will ihnen etwa — nach ihrer jahrhundertelangen aufopferungsvollen Tätigkeit — wegen der paar Kinkerlitzchen und einem schiachen gelben Diamanten jetzt jemand geizig daherkommen? Schließlich war in der K&K Monarchie das ganze Land Familienvermögen. Oder will einer gar Swarovski tadeln wegen dem bisschen Glassteine und Vermögen, die sie nun von den Tirolern abziehen? Schließlich ist zuvor schon viel anderes Vermögen auf verschlungenen Wegen in der Schweiz oder in Fernost gelandet, und keiner hat sich aufgeregt.

Millionendiebstähle haben heute sowieso alle Eleganz verloren. Kunstvoll gearbeitete Kronjuwelen zu stehlen und dann die Steine als Rohmaterial zu verscherbeln, schönste Goldgegenstände zu banalen Klumpen einzuschmelzen und für ihren schnöden Materialwert in Papiergeld zu tauschen  — wie proletenhaft! Ein Millionendieb, der den Wert und die Schönheit seines Diebsguts nicht zu schätzen weiß, ist ein armer Tropf. Doch das ist leider jetzt in Mode. (Auch das Verbrechen kennt Modeströmungen.)

Man denke nur an die anderen, namentlich bekannten, aber nie zur Rechenschaft gezogenen Millionen-, nein, Milliardendiebe, welche zurzeit in großem Stil unsere Sprache, unsere Gesichter, Gefühle und Ideen plündern, bloß um sie zu einem in Dollar berechneten Algorithmenbrei einzuschmelzen. Oder Hightech-Milliardäre, die als Hehler von Fakeshops und Fakenews Milliarden einnehmen*, bezeichnenderweise aber nicht willens sind, jene relativ einfachen Algorithmen zu entwickeln, welche solche Fakes entlarven und entfernen würden. Was unterscheidet einen Herrn Zuckerberg oder Bezos vom Hinterhof-Juwelier, der die einmaligen Saphire der Königin Marie-Amelie in Blingbling umschleift und für schnöden Mammon weiterverkauft? Oder den enterbten kaiserlich-königlichen Nachkommen, der das Diamantdiadem von Sissi fürs standesgemäße Überleben im Exil verscherbelt? Oder jene Milliardäre, die die Lebensgrundlagen der gesamten Menschheit plündern, nur um für sich noch schnell ein paar Milliönchen aus Ölförderung oder anderen schädlichen Produkten herauszuholen? Lauter Banausen!  

Ja, Millionendiebstahl in Verbindung mit Kulturvernichtung ist leider topmodern. Schönheit und immaterieller Wert stellen in der Verbrechensplanung keine Kategorien mehr dar. Der Großdieb unserer Zeit lebt abgekapselt in seinem Geldtresor, badet bloß täglich, wie Dagobert Duck, ohne Sinn und Zweck in den Nullen seines erbeuteten Vermögens. Das Großverbrechen könnte allerdings kaum derart florieren, gäbe es nicht so viele Hehler auf allerhöchster Ebene …*)  Meta verbreitet, laut einer Studie, pro Jahr wissentlich geschätzt 15 Millionen Scam-Werbungen im Wert von 16 Milliarden Dollar im Vorjahr, ohne dagegen viel zu unternehmen. Damit beteiligt sich der Konzern an einem Milliardendiebstahl. Vgl. Der Standard vom 7.11. 2025

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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