Muhammad erzählt III

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Das Leben in einem Flüchtlingsheim ist für viele Menschen unvorstellbar. Ich bin selbstverständlich dankbar für alles, was ich in Österreich bekomme. Die Zeit, die Flüchtlinge in Heimen verbringen, ist jedoch sehr schlimm. Ich habe, zum Beispiel, meistens mit vier anderen Männern in einem Zimmer gelebt — da geht jede Privatsphäre verloren.

Ich selbst besuche das Heim in der Reichenau ein mal. Ich bekomme ein Zimmer zu sehen; dort stehen drei Stockbetten und eine Matratze liegt am Boden. Aus einem Laptop kommt Musik, auf einem Holztisch stapeln sich Unterlagen. Ein Raum in dem normalerweise Deutschkurse stattfinden wurde außerdem zur Unterkunft umfunktioniert.

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Im Flüchtlingsheim im kleinen Ort Götzens bekam ich vierzig Euro im Monat. Es wurde zwar jede Mahlzeit dort gekocht, doch schon allein ein Monatsticket für den Bus nach Innsbruck kostet mehr als vierzig Euro. Wenn wir bloß arbeiten dürften! Dann müsste der Staat viel, viel weniger Geld zahlen, wir könnten es selbst verdienen, hätten mehr Kontakt zur Bevölkerung und würden automatisch unsere Deutschkennitsse verbessern!

Das Heim in Götzens hat leider einen sehr schlechten Ruf; ich selbst habe viele traurige Erinnerungen an die sieben Monate, die ich dort gelebt habe. Während meiner Zeit dort, gab es einen Deutschlehrer, er ist ein alter Mann und meint es gut, aber ich denke er war überfordert mit seiner Aufgabe, Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Er hat im Heim freiwillig gearbeitet. Hinzu kommt, dass er alle zwei Wochen, wenn das Heim neue Bewohner bekam, von vorne beginnen musste. An einen Tag erinnere ich mich besonders gut: da kam die Heimleiterin in mein Zimmer, zog den Stecker meines Akkuladegeräts aus der Steckdose und sagte die Stromrechnung sei zu hoch, wir müssten Strom sparen. Ich dürfe weder Laptop noch Handy aufladen, meinte sie. Viele Geschichten dieser Art könnte ich erzählen.

Im Heim in der Reichenau wurde dann alles besser. Die Betreuer dort sind sehr nett und verständnisvoll. Ich weiß schon, dass sie uns mit unseren Problemen und Sorgen nicht wirklich unterstützen können, aber ihre Freundlichkeit hat mir immer geholfen. Und die Tatsache, dass ich in Innsbruck lebte, machte Vieles einfacher! Was ich jedoch entwürdigend finde, war die Kontrolle, die über Flüchtlinge ausgeübt wird. Es wird kontrolliert, ob alle um zehn Uhr Abends im Heim sind, wenn man zwei Mal zu spät nach Hause kommt, war’s das — das finde ich schrecklich. Damit nehmen sie dir in gewisser Weise deine Würde. Wir sind weder kriminell noch sind wir unreife Kinder.

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In Innsbruck gab es dann professionelle Deutschkurse und ich hatte mehr Möglichkeiten meinen Tagesablauf sinnvoll zu gestalten. Das ist ein Problem für viele Flüchtlinge. Die einzigen Fixpunkte in ihrem Leben sind Deutschkurse. Die restliche Zeit verbringen die meisten Männer auf ihren Zimmern. Die Menschen sind verzweifelt und traurig, haben alles verloren was sie hatten. Manchmal sitzen sie monatelang oder jahrelang in ihren Heimen, verständigen sich mit anderen Heimbewohnern in ihrer Muttersprache. Kaum jemand hat die Kraft und den Mut sich aufzuraffen, sein Leben in die Hand zu nehmen und Initiative zu ergreifen. So machen auch die wenigsten Menschen schnell Fortschritte in der deutschen Sprache. Wenn man mit vier anderen Menschen in einem Zimmer lebt, möchte einer schlafen, ein zweiter skypen, ein dritter Musik hören, ein vierter lernen. Das kann nicht funktionieren. In vielen Fällen ziehen sich die Menschen selbst hinunter, es ist wie ein Teufelskreis! Man verfolgt die Kriege in den Heimatländern, hofft, keine schlechten Nachrichten zu bekommen und wartet die Einvernahme beim BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl). Ständig in Sorge zu sein, keine Perspektive zu haben und im Flüchtlingsheim vor sich hin zu leben, kann nicht gesund sein. Viele Menschen dort werden immer deprimierter.

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