Anti, Avanti

1. April 2025
1 Minute Lesezeit
(c) Helmuth Schönauer

In der Aufregung, endlich ein Papier für die Zuckerl-Koalition beisammen zu haben, ist für ein paar Stunden der feine Unterschied zwischen den drei Antis „Antirassismus“, „Antifaschismus“ und „Antisemitismus“ verlorengegangen und musste nach Presse-Aufschrei rasch repariert werden.

Wer wissen will, was als These oder Nachricht demnächst in Österreich geschehen wird, schaut am besten ab und zu ARD oder ZDF.

Diese beiden öffentlich rechtlichen Medien reagieren auf Trends in Deutschland, die als halbwegs seriöse Nachrichten versendet werden.

Da Deutschland 10 x größer ist als Österreich, sind auch die deutschen Nachrichten 10 mal relevanter als die österreichischen.

Als Österreicher siehst du in zehn Minuten das, wofür du beim ORF eine Stunde lang vor dem Bildschirm sitzen müsstest.

Die beiden deutschen Staatsfunke haben auch den Vorteil, dass im Abendprogramm keine Werbung gesendet wird. Man bekommt also tatsächlich die Tagesschau zu sehen, wenn man sie anpeilt, während man in Österreich in der Hauptsache Möbelwerbung zu sehen kriegt, die sich kaum von der Zeit im Bild unterscheidet. 

In Deutschland entsteht der Nachrichtenwert meist dadurch, dass alle Tag und Nacht von der AfD sprechen, diese aber nicht als Nachricht zu Wort kommt.

Die Spannung resultiert aus dem Wittgenstein-Dilemma: Wie kann ich etwas erzählen, wovon ich nicht sprechen darf.

Eine gängige Methode, die wahre Volksstimmung in die Nachrichten zu kriegen, besteht aus dem täglichen Zitieren von irgendwelchen Studien.

Da die AfD schon vom Namen her als Alternative für etwas Formuliertes gilt, muss man nur das Bestehende als „Anti“ formulieren, und schon ist man bei der AfD, ohne diesen teuflischen Namen auszusprechen.

Aus dieser Haltung der Leit-Medien hat sich eine Art „Anti-ismus“ entwickelt, diesen Begriff hat sich im Netz bereits eine Linke Gruppe gekapert.

Im Volksmund besteht der Anti-Ismus meist aus Antirassismus, Antifaschismus und Antisemitismus.

Von Nachrichtensprechenden werden diese Begriffe so nuschlig ausgesprochen, dass allmählich der Eindruck entsteht, es handle sich um ein und die selbe Sache.

Dabei gibt es feine moralische Unterschiede.
Antirassismus gilt zusammen mit Antifaschismus als gut, während Antisemitismus als schlecht gilt. 

In der Aufregung, endlich ein Papier für ein „Österreich mit Zuckerl-Koalition“ beisammen zu haben, ist freilich dieser feine Unterschied zwischen den drei Antis kurzzeitig verlorengegangen und musste nach Presse-Aufschrei rasch repariert werden.

STICHPUNKT 25|28, geschrieben am 25.03.2025

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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