Dies ist, wenn ich mich nicht verzählt habe, mein zweihunderterster Beitrag zum Alpenfeuilleton —
ein kleiner persönlicher Grund zum Feiern, auch wenn die Themen, die mich zum Schreiben bewogen, meist Ärgernisse waren, die ich gegen das Vergessen festhalten wollte — wie etwa einen Porsche fahrenden Sozialisten, der zu keinem glaubwürdigeren Sozialisten wird, wenn er auf Ferrari umsteigt. Doch diese kleinräumigen Wort-Gedenksteine und mein kleines Jubiläum gehen natürlich im Jahr 2025 völlig unter zwischen all den großen Jubiläen. Leider sind die allesamt keine rechten Feier-Tage, denn sie erlauben diesmal kein andächtiges Zurückerinnern an vergangene Geschehnisse, nicht das herzerwärmende Gedenken an die Überwindung vergangener Unzeiten. Wo auch immer wir heuer feierlich erinnert werden, drängt sich eine schlimme Gegenwart ins Bild.
In Rom feierten die Katholiken ja gerade ihr höchstes, freudvollstes Gedenkfest, Ostern, und damit die 2000-jährige Utopie einer Überwindung des Todes. Und da stirbt ihnen der Papst weg! Plötzlich wird es eine Trauerfeier mitsamt Selbstdarstellungsparcours äußerst unchristlicher Machthaber.*
Andernorts prallen im Jahr 2025 die 80-Jahre-Holocaust-Gedenkfeiern und das Pessach-Fest brutal mit dem Vertreibungskrieg der israelischen Regierung (nicht „der Juden“!) in Gaza zusammen, wahrlich keine glückliche Assoziation und absolut kein Grund zu feiern. Und dann wäre da ganz nebenbei auch noch des Völkermords der Osmanen an den Armeniern vor hundert Jahren zu gedenken, auch keine schöne Erinnerung.
Und wir hierzulande? Wir wurden vor 80 Jahren von Nazi-Terror und Krieg befreit, und könnten endlich, nach drei Generationen, die Überwindung der Traumata und des Hasses sowie die demokratischen und wirtschaftlichen Errungenschaften der Nachkriegszeit feiern, da fangen die Großmächte schon wieder von vorne mit Kriegshandlungen aller Art und der Hetze jeder gegen jeden an. Und wieder laufen, da wie dort, genug Idioten den Hassparolen erinnerungslos hintennach. Und ein Vertreter jener Partei, welche die Proklamation zu Österreichs Unabhängigkeit als einzige NICHT unterschrieb und sich auch später kaum je konstruktiv an der demokratischen Entwicklung Österreichs beteiligte, steht nun dem Nationalrat vor, träumt mit seinen Genossen von genetisch definierter „Österreichischer Identität“ und „illiberaler Demokratie“ und hält das Wort „Umvolkung“ auch nach 80 Jahren Aufarbeitung nicht einmal für faschistisch genug für einen mickrigen parlamentarischen Ordnungsruf …
Und ganz nebenbei hält sich in Russland ein Geheimdienstler mit seinem korrupten FSB-Hofstaat schon für den neuen Zaren und zettelt im Hochgefühl seiner Macht in Europa und ganz Afrika Bürgerkriege an. In den USA regiert ein Wahnsinniger mit seinem korrupten Geldadel und hält sich bereits für den mächtigsten Mann der Welt. Und in China lächelt milde der dritte Weltenherrscher und lässt Kampfflieger schon mal die Grenzen ringsum neu kartieren. Und alle drei teilen sich in „Deals“ gerade die Welt untereinander auf. Hatten wir das nicht auch schon einmal? Und da sollen wir die Überwindung der Vergangenheit feiern?
Was also gibt es, um Himmels willen, heuer überhaupt noch an ungetrübten Jubiläen?
Na ja, es muss sich wohl einfach jeder sein eigenes bescheidenes Jubiläum basteln. Ich meinen 200sten Beitrag fürs Alpenfeuilleton, zum Beispiel. Oder irgendein netter Mensch wird sicher einen runden Geburtstag haben. Und wenn hochrangige Journalisten im ORF einmal dessen eingedenk wären, dass „gedenken“ immer noch mit Genitiv zu verwenden wäre und nicht mit Dativ, wäre zumindest das ein kleines freudiges Ereignis für viele.
*) Manche hegen sogar den schlimmen Verdacht, dass das Zusammentreffen mit J. D. Vance (mit der notwendigen christlichen Ermahnung? Gar mit einer temperamentvollen Strafpredigt des atemschwachen Oberhirten?) Papst Franziskus seiner letzten Lebenskräfte und seiner letzten Hoffnung beraubt haben könnte.
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