Ist es Ihnen auch aufgefallen? Vielleicht war es ein Zufall, wie ihn die Mode manchmal erzeugt: Nach der Wahl von Donald Trump trugen plötzlich alle Entscheidungsträger und Medienleute eine Zeitlang unifarben rote Krawatten. Und zwar genau dieses Rot: das Rot der siegreichen Republikaner.
Für den ORF-Berichterstatter aus den USA war das vielleicht ein Muss, um irgendwann zu den sehr exklusiven Pressekonferenzen geladen zu werden, wo die verfügbaren Plätze jetzt nur noch strikt begrenzt nach politischer Farbe vergeben werden. Womöglich aber auch bloß ein Abverkaufs-Sonderposten aus dem vielfältigen Souvenir-Angebot, mit dem die Trumps ihre Privatkassen aufbessern? Denn wahrscheinlich haben die Schirmkappen und Fake-Münzen und Insiderspekulationen mehr eingebracht. Die Hardcore-Fans von Trump sind schließlich eher Schildmützen- als Krawattenträger, und der Anzugträger in der MAGA-Bewegung kauft lieber Aktien.
Doch weshalb die hiesigen Moderatoren und Korrespondenten, die Vertreter österreichischer Wirtschaftsinstitutionen, sogar der Lieblings-Politikwissenschaftler des öffentlichen Rundfunks, Sportfunktionäre und Direktoren aus verschiedensten Sparten, Politiker aller Couleurs — plötzlich alle mit diesen roten Krawatten? Es erinnerte unweigerlich an Dürrenmatts gelbe Schuhe.* Auch an die Endzeiten des französischen Absolutismus, als nach der Geburt des Thronfolgers ein bestimmtes Braungelb — „Caca Dauphin“ — zum letzten Modeschrei erklärt wurde, das natürlich alle tragen wollten.**
Inzwischen ist der rote Krawatten-Hype gottseidank wieder abgeflaut. Die Modesaisonen wechseln sowieso im Wochentakt. Und im Nachhinein fragt sich jeder, warum man, um Himmels Willen, bloß dieses Stück im Kleiderschrank liegen hat? Das war ja grottenpeinlich!
Inzwischen sind Krawatten, wie ehedem, wieder gepunktet, gestreift, auch wieder gedämpfter in der Farbgebung – bevorzugt weinrot statt der knalligen Basisfarbe, Code #FF0000, diesem grellsten, primitivsten, aggressivsten Rot, welches die Massen schon öfter in der Weltgeschichte zu den unmöglichsten Dingen verführt hat. Sogar Trump selbst trägt inzwischen manchmal wieder blau oder gelb überm Bauch, wenn auch immer noch zu lang, zu knallig und ohne Muster (Mehrfärbig geht für ihn einfach nicht, er vertritt schließlich die menschliche Monokultur in Person). Und Schirmmützen, egal welcher Farbe, sind, gottseidank, bei uns nicht so eine weit verbreitete Kopfbedeckung, dass man sich fürchten müsste, seine Augen plötzlich vor einer Flut hochroter Köpfe schützen zu müssen statt vor der Sonne. (Wir leiden schon genug an der Blendwirkung der rot-weiß-roten Fähnchen, die bei jedem Proleten-Auftritt verteilt und dann auf Bühnen-Kommando gewachtelt werden, wie bei den Schürzenjägern die Handylämpchen, welche zumindest das Dunkel für manche erhellen.) Und noch ein kleiner Trost: Wenigstens trägt der hiesige Oberprolet, seit er nicht mehr Kanzler werden muss, seinen blütenweißen Hemdkragen wieder offen. Da bleiben uns zumindest schiache unifarbene Krawatten vorläufig erspart.
*) Friedrich Dürrenmatt, „Der Besuch der alten Dame“ – vielleicht auch wieder mal lesenswert?
**) Egon Friedell, „Kulturgeschichte der Neuzeit“, 1927; im Kapitel „Die tragische Maske des Rokoko“