Walder-Brüder

13. Oktober 2025
1 Minute Lesezeit
Foto von Maik Astheimer auf Unsplash

Tirol ist, was Schusswaffen anlangt, ein wildes Pflaster. Nicht nur wegen der hohen Waffen-Dichte. Nicht nur, weil Jäger, hier wie überall, öfter nach ein, zwei Jagertees den Kollegen mit einem kapitalen Bock verwechseln. Es werden heutzutage zwar nicht mehr so viele stolze Wilderer erschossen wie in der Vergangenheit (Pius Walder war wohl das letzte offizielle Opfer), aber dafür lässt jetzt die Walder Schützenkompanie im Pitztal den Opfer-Mythos des braven Schützen neu aufleben. Die Ärmsten bekommen von der Gemeinde nämlich kein eigenes Lokal und keinen Waffentresor und müssen ihre gefährlichen Waffen zuhause verwahren wie die Schweizer Miliz, was mühsam ist.

Über dem und anderem hat sich jetzt ein gefährlicher Streit entsponnen. Es soll der ehemalige Schützenhauptmann nun sogar seine Uniform abgeben, nachdem doch die Schützen „sein Leben“ waren!* Und das Bataillon Pitztal will seinerseits die Walder Kompanie suspendieren. Bleibt nur zu hoffen, dass die Lage nach ersten kolportierten Raufhändeln nicht in einem villgratnerisch tragischen Schusswechsel endet!

Immerhin wurden die Schützen – im Gegensatz zu neueren Gepflogenheiten weltweit – schon im Spätmittelalter zur selbstlosen Verteidigung nach außen, bevorzugt gegen walsche Truppen, aber keinesfalls zum Angriff nach Innen gegründet. Sie halten diesen Mythos bis heute hoch.  Geschossen wird inzwischen eh nur noch in die Luft. Denn der Feind hat sich dahin aufgelöst. (Und im Heiligen Land zielt sowieso letztlich alles auf den Himmel ab). Sollte jedoch der Russ´ eines Tages wieder kommen, ist keine europäische Armee besser gegen Drohnenschwärme gerüstet als die Tiroler Schützen. Aus all diesen Gründen hält Tirol seit Jahrhunderten die Waffentradition hoch. Wir haben zwar die höchste Dichte an Sport- und Jagdwaffen österreichweit **, aber dennoch keine überhöhte Mordrate. Das Gewehr im Schrank ist hier immer noch bloß integraler Bestandteil der Gottesfurcht und Heimatliebe.

Genau deshalb muss sich natürlich auch jeder Volksvertreter, der etwas auf sich hält, regelmäßig in passender Gewandung entweder bei den Schützen oder bei einer Jagdgesellschaft blicken lassen. Kann es da verwundern, dass der soeben geschasste ehemalige SPÖ-Vorsitzende und Ex-Vizelandeshauptmann unbedingt wieder einen Waffenschein braucht? Er verspricht dafür hoch und heilig, seinen Porsche in Zukunft zu versperren, falls er sein geladenes Gewehr drin spazieren führt, und sich bei der Jagd auch keinen ausgeliehenen Bruch mehr an den Hut zu heften. Er verspricht überdies, sich in Zukunft nur noch als wilder Abgeordneter unbotmäßig zu verhalten und ausschließlich im Landtag querzuschießen. Und sollte er, nach einem Berufungsverfahren in Wien, wirklich endgültig auch von der Bundespartei abgeschossen werden, wird sein Heldenschicksal eben neben dem von Pius Walder in die Tiroler Geschichte eingehen und eines Tages schön verfilmt werden.

*) Interview, ORF; Tirol Heute vom 9.10. 2025

**) Der Standard, vom  8.August 2025 https://www.derstandard.at/story/3000000282613/waffenkaeufe-seit-grazer-amoklauf-massiv-gestiegen

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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