Man hätte es sich denken können. Man sieht es schließlich überall und immer wieder. In manchen Bereichen erleichtern eben Berufswahl und gesellschaftliche Position das Ausleben sexueller Vorlieben, auch wenn sich der Umkehrschluss verbietet, dass jemand einen bestimmten Beruf aus diesen Gründen wählt.
Die harmloseste Variante ist die, dass ein homosexueller Mensch sich in einem Kloster oder in einer Profi-Sportmannschaft besonders wohl fühlt. Schwieriger wird es schon bei devianteren sexuellen Vorlieben, mit denen man anderen Schaden zufügt, wenn sie nicht freiwillig mitmachen oder wenn eine unumstößliche Hierarchie ein Nein verunmöglicht. Bin ich z.B. nekrophil veranlagt, bieten ein Bestattungsinstitut oder eine Intensivstation mehr Chancen als eine Geburtenstation, um meine Triebe auszuleben. Habe ich pädophile Neigungen, liegt eine Arbeit in der Kinderbetreuung nahe. Besitze ich dann auch noch zusätzlich einen Hang zu Sadismus und Promiskuität und das nötige Kleingeld, wie Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell, veranstalte ich diskrete Parties mit Prominenten. Und habe ich nicht das Kapital für so etwas und bin mir meiner Veranlagung vielleicht anfangs auch gar nicht bewusst, gründe ich eben eine wohltätige Institution für schutzlose Waisenkinder und lasse mich dafür von der Welt auch noch feiern.
Fazit: Der Mensch ist nicht prinzipiell gut. Auch nicht der, den wir auf ein Podest gestellt haben. Man sollte diesen Aspekt im Auge behalten und klare Vorschriften und Aufsichtsorgane, Whistleblowing-Möglichkeiten und Strafen für den Fall des Falles schaffen. Tut man eh, höre ich. Aber halt oft mit Augenzwinkern, weil man dem netten Mitmenschen oder dem allseits beliebten Promi „Schlechtigkeiten“ nicht zutrauen will. Und beim unschuldigen Durchschnittsbürger sind Vorschriften und unangemeldete Inspektionen sowieso nicht beliebt. Also schaut man halt ein bisserl weg und hofft auf das Beste.
Und dann wundert man sich jedes Mal von Neuem, wenn es wieder einmal ein beliebter Schauspieler oder der Chef einer renommierten Firma ist, dann ein hoch geachteter Geistlicher, ein Politiker oder ein Prinz — oder gar ein allseits geachteter Kinderdorf-Gründer, der wegen bösem Missbrauch seiner Vorrangstellung in Verruf gerät.
Nein, der Mensch ist nicht gut. Erst recht nicht der Mächtige. Er ist es nur so lange, als man ihm genau auf die Finger schaut.