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Ibiza allüberall

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Die alpenländische Politik leidet zunehmend an alkoholgeschwängerter Gemütlichkeit. Die b´soffenen G´schichten“ nehmen parteiübergreifend überhand.

Haben Sie den Bildhintergrund bei der berüchtigten Nehammer-Rede wahrgenommen? Nein? Weil er nämlich traditionell und somit normal ist: ein Weinregal. Und vorne auf den Tischen die Weingläser. Wünschenswert wäre zwar gewesen, dass die schon etwas unklar artikulierte und noch undeutlicher durchdachte Aussage ignoriert worden wäre. Aber natürlich hat´s irgendwer aufgezeichnet. Auch das inzwischen normal.

Und jetzt bricht auch noch die Zeit der Oktoberfeste an. Die Hauptqualifikation für politische Führungspositionen besteht zurzeit darin, den Bieranstich auf Anhieb zu schaffen. Wenn die Redner dann einen Stich haben, wen kümmert´s? Im Zelt sind alle gleich. Gleich angestochen, gleich lustig. Gleich niveaulos, gleich besoffen. Blöd nur, wenn einer mitfilmt und das dann auf eine Öffentlichkeit in nüchternem Aggregatzustand trifft.

Politikberater Hofer hat es auf den Punkt gebracht, warum Politiker dabei mitmachen: „Es geht darum zu beweisen, dass man nicht Teil der Elite ist.“  Ja, wo kämen wir denn hin, wenn die Leute, die von den Bürgern bei den Wahlen als die Besten erachtet wurden, Elite wären?! Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle bestätigt Hofers Diagnose, warum Oktoberfest und Alkohol für staatliches Führungspersonal unabdingbar sind: „Man tritt als normaler Mensch auf.“ *

Gottlob! Endlich wissen wir, wie sich „Normalität“ definiert: Der Suff ist der einzig normale österreichische Seinszustand. Als absolute Mindestanforderung muss man wenigstens angesäuselt sein und Schlagseite zeigen, um der geachteten Gesellschaftsschicht der „Normalen“ anzugehören. Strache könnte heute noch in Amt und Würden sein, hätte er nicht den Fehler gemacht, sich berauscht auf einer Finca auf Ibiza anstatt im heimischen Bierzelt danebenzubenehmen. Und jetzt wird endlich auch klar, warum sich alle Parteien auf die Grünen einschießen: nicht wegen ihrem lästigen Beharren auf CO2 Verzicht und Transparenz und Ämtervergabe nach Kompetenzkriterien. Das tät man ihnen notfalls noch nachsehen. Nein. Sie sind zu nüchtern. Man sieht zu wenige besoffene Grünenpolitiker, die im verschwitzten Trachtenanzug Bierzelt-Reden schwingen.

Zusammenfassung: Normal und mehrheitlich akzeptiert ist in Österreich, wer sich ohne Rücksicht auf seine Leberwerte zum Kasperl macht. Nur so wird man zum echten Volksschauspieler. Das war schon immer so. Man denke nur an die große österreichische Tradition der Operette oder die alten Hans Moser Filme. Der echte Volksvertreter muss stets bereit sein, mit seinem Volk schunkelnd mitzugrölen: „Es wird a Wein sein, und mir wern nimmer sein …“.

Bier tut´s natürlich auch. Und, wenn´s anders gar nicht mehr geht, gibt´s bei gewissen Schichten des Volkes, die aber nicht Elite genannt werden wollen, zudem Koks. Aber dazu will sich (zumindest bisher) noch keiner offiziell bekennen.

* Alle Zitate:  Tiroler Tageszeitung vom 6.10.2023

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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