Tiroler Illusionsbanderole

Eine Ultrakurzgeschichte mit Haiku.

7 Minuten Lesedauer
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Wir befinden uns in einer charmanten, aber durchschnittlichen Provinzhauptstadt.

Ein kleines Onlinemagazin wird mit einem Preis ausgezeichnet. Zwei Vertreter kommen auf die Bühne.

Einer verliest folgenden Text.

Titel: Eine kleine Erinnerung

Untertitel: In dem Moment, indem man einen Preis gewinnt, sollte man sich selbst hinterfragen.

Kulturarbeiter und Banditen teilen das gleiche Schicksal.

Beide müssen sich von allem Irdischen lösen, um in ihrem Beruf erfolgreich zu sein.

Wer Kultur macht, muss radikal sein. Angriffig. Mutig.

Das geht nicht, wenn man an den eigenen Ruf, das Geldbörserl oder die Liebe denkt.

Wer am Irdischen hängt, haltet die Pappen, wenn er sie laut aufreißen sollte.

Ein guter Kulturarbeiter ist der natürliche Feind des Politikers.

Er hat Vision; sprengt Grenzen; malt, spielt, baut sich ein Land, wie es sein sollte, aber nicht ist.

Gute Kulturarbeiter sind oft arm, Schüler oder Pensionisten. Dazwischen ist anständige Kulturarbeit nur schwer möglich.

Auch wenn wir uns das gerne einreden. 

Leider.

Deshalb heißt der Preis wahrscheinlich auch Illusionsbanderole.“

„Du bist viel zu pessimistisch“, antwortet der zweite.
„Wieso?“
„Die Kunst liegt in der Art und Weise Kultur zu machen. Alles auszusprechen, ohne jemanden auf den Schlips zu treten. Codierung nennt man das.“
„Aha.“
„Soll ich?“
„Ich bitte darum!“

„Haiku für die Kunst;

I

Stets nur vergeblich
Kunstsinnig doch wirkungslos
Der Sieg der Lauten

II

Die Kunstvermittlung
Steter Tropfen höhlt den Stein
Endlich einen Preis

III

Sanfter Widerstand
Stetig die Grenzen sprengend
Beharrlich leise“

Das Publikum klatscht frenetisch.

Ende.



Dieser Text wurde bei der 2. TIROLER ILLUSIONSBANDEROLEN Verleihung, am 04.06.2023 im Innsbrucker Treibhaus verlesen. Und findet sich auch im dazugehörigen Büchlein wieder. DANK an Herbert Waltl und Alois Schild!


Felix Kozubek am Tag nach der Preisverleihung auf Facebook:

Gerade die Gründungsmail vom 19.08.2011 gefunden. Das macht den 19.08. quasi zum Geburtstag des ALPENFEUILLETONs. Die Mail zieht sich über weitere sieben Screenshots, die ich uns allen hier erspare.

Warum ich die Mail gesucht habe?

Weil unser Projekt gestern mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Markus Koschuh/Markus Koschuh bezeichnete die TIROLER ILLUSIONSBANDEROLE gar als „bissl wie der Oscar – nur mit mehr Tirol und Schnaps.“

Und wenn man, so wie wir beim AFEU, Online-Kultur, Online-Journalismus, Online-Literatur macht, rechnet man mit vielem, nur mit keinem Preis.

Umso größer ist die Freude, dass unser kleines, feines Projekt Sichtbarkeit und Anerkennung erhalten hat. Und zwar in einer Form, wie sie nicht schöner hätte sein können.

Im Turm des Treibhaus Innsbruck fand ein wunderbar inszeniertes, buntes, abwechslungsreiches, teilweise rührendes Klassentreffen der Tiroler Kunst- und Kulturwelt statt. Lauter begabte Menschen, die in ihrem Leben viel erreicht haben. Wir mitten drin. Verrückt irgendwie. VIELEN DANK!

Vielen Dank vor allem auch an die Initiatoren Herbert Waltl und Alois Schild, die die ILLUSIONSBANDEROLE und das damit einhergehende Klassentreffen ins Leben gerufen haben. Danke an Helmuth Schönauer, dem wir – aber das ist nur ein unbestätigtes Gerücht – die Nominierung zu verdanken haben.

Wenn wir ehrlich sind, rätseln wir bis heute, warum wir den Preis neben so bekannten Namen wie Bernhard Aichner, Georg Schärmer, Markus Koschuh, Martin Sailer, Claudia Lugger oder Florian Bramböck erhalten haben. Wahrscheinlich fürs Durchhalten. Weil es uns, allen Turbulenzen und hauptberuflichen Tätigkeiten zum Trotz, noch immer gibt. Und Beständigkeit in der heutigen Welt einen großen Wert hat.

Dass aus dem AFEU, das ursprünglich als Weiterführung der UNIpress gegründet wurde, das zwischenzeitlich zum Krawallblatt mutierte, heute ein Raum für anerkannte, aufstrebende, jedenfalls mutige und experimentierfreudige Autor:innen geworden ist, freut mich einfach sehr. Danke Alois Schöpf, dass du den Neustart (2020) angestoßen … um nicht zu sagen … provoziert 😉 hast. Im Zusammenwirken mit Markus.

Das AFEU gibt es nun seit 2011 im Netz. Eine stolze Zeit mit vielen Höhen und Tiefen; unvollkommen und doch ein wunderbares Archiv über das Leben in und rund um Innsbruck. Was bewegtE. Was aufregtE. Was es Wert war zu beschreiben.

Und die Leitsätze; von den Alpen in die Welt; und; Es beginnt mit einem Thema, das unter den Nägeln brennt, einem weißen Blatt Papier und einem Laptop; haben auch überlebt.

Unvergessen zudem unsere leider viel zu früh verstorbenen Co-Autoren Tom Schutte, Georg Oberthanner und H.W. Valerian. Unfassbar, was seit 2011 alles passiert ist. Da braucht es erst einen Preis, damit man sich erinnert.

Langer Text, kurzer Sinn. Gestern hat mir viel Freude bereitet und einen ordentlichen Schwung Energie für die nächsten 12 Jahre AFEU geschenkt.

DANKE.

PS: Die erste Mai ging damals übrigens an Lisa Reifer, Martin Senfter, Kristin Haug und Boris Schön. Zum weiteren Stammpersonal zählen heute Rekordschreiber wie Markus Stegmayr (der für den langen Atem und so manchen Skandal gesorgt hat), Julian Zanon, Helmuth Schönauer, Lina Hofstaedter, Susannah Haas, Martin Kolozs oder Michael Baumgartner.
PPS: Wunsch für die Zukunft? Jünger, weiblicher. Und noch mehr Leser:innen!
PPPS: Besonders berührend waren gestern die Preisverleihungen für Lebenswerke. Plötzlich waren verstorbene Ausgezeichnete mehr als spürbar. Keine Illusion. Kraft der Musik, der Worte, der Kunst und der Verbundenheit!
PPPPS: Danke auch an meine Frau Stefanie Kozubek, die mich bei all meinen (beruflichen und ehrenamtlichen) Projekten unterstützt und deshalb auf viel gemeinsame Zeit verzichten muss.

ORF Tirol Heute Beitrag.

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