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Wie sich die Tiroler Gastronomie jetzt verändern muss

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Die Wirtshäuser und Restaurants in Tirol sind wieder geöffnet. Das Gesicht von so manchem Tiroler Gastronom ist aber jetzt bereits schon lang. Die Gäste bleiben zwar nicht vollständig aus, stürmen die Lokale aber auch nicht wie vor wenigen Wochen noch die Baumärkte gestürmt wurden.

Eine Hoffnung sind die Gastgärten. Diese sind zumindest an schönen Tagen frequentiert. Das geschieht aber relativ wahllos. Ein Gastgarten ist eben ein Gastgarten, schönes Wetter ist immer schönes Wetter. Sind die Gastgärten also nicht gerade allzu versteckt, sieht man zahlreiche sonnenhungrige, durstige und gesellige Menschen zusammensitzen.

Dabei ist das Angebot der Restaurants und Lokale in diesem Kontext gar nicht entscheidend. Solange das Bier nicht nach Spülwasser schmeckt und die Gläser sauber sind, hält es Menschen derzeit nicht davon ab wiederzukommen. Die Lage des Gastgartens entscheidet und ist das Hauptargument.

Doch es gibt auch regnerische Tage. Die Anfangseuphorie der Gäste, die ohnehin nicht so groß ist wie erwartet, wird sich in wenigen Wochen verflüchtigten. Die Krise wird auch zwangsläufig dazu führen, dass Menschen weniger in der Lage sind Geld in Lokalen auszugeben und zunehmend zuhause bleiben.

In dieser Zeit der „Normalität“ unter prekären Finanzverhältnissen mit weiterhin aufrechten Schutzmaßnahmen für Gäste und Personal trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Der Gast denkt künftig zweimal nach, welches Angebot und welches Gastro-Erlebnis er weiterhin und neuerlich in Anspruch nimmt. Er kommt nicht für Beliebigkeit, überteuertes Essen und halbherzige Konzepte.

Allein diese Einsicht und die Erkenntnis, dass internationale Touristenströme in den nächsten Tagen ausbleiben, sollte zu einem Umdenken führen. Man kann derzeit nicht mehr weitermachen wie zuvor. Mittelmäßigkeit in hervorragender Lage reicht nicht mehr. Sehr gutes Bier von Fertiggerichten gesäumt lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Der Einheimische Gast ist kritisch und kommt öfter. Je öfter er kommt, desto kritischer ist er.

Dieser Gast will nicht, wie der Städtetourist, das einmalige Gastro-Erlebnis, er möchte Gründe geliefert bekommen, immer wieder und wiederzukommen. Er will den einen Signature-Dish, der sich von allen vergleichbaren Produkten in anderen Lokalen abhebt. Er will das eine Spezialbier, das er nur an diesem Ort bekommt. Er will den einen Chef des Hauses, der ihm zu jedem Bier und zu jedem Wein eine Abhandlung vorbeten kann.

Das Gebot der Stunde lautet: Klasse statt Masse zu leistbaren Preisen. Die Karte verkleinern, das Überfeine und Überteuerte in Krisenzeiten aus der Karte streichen. Es geht hin zum Handfesten und doch qualitativ Hochwertigen. Dumping-Preise gilt es, bei aller berechtigten Sorge um die finanziellen Mittel der Gäste, zu vermeiden.

Die Gäste kommen wieder. Wenn es keine Schieflage zwischen Angebot und abgerufenem Geldbetrag gibt. Wenn mehr gezielte exklusiv Erlebnisse, etwa Bierverkostungen mit Food-Pairing von und mit echten Kennern, auf die Beine gestellt werden. Wenn das Essen im Wirtshaus vor Ort passt und die Qualität gleichbleibend ist. Wenn Lokale aufgrund der Bedienung und der Atmosphäre zu einer Art zweitem Wohnzimmer werden.

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

1 Comment

  1. Eigentlich wollte ich nicht zu jedem Thema meinen Senf dazugeben, vor allem wenn ich dran denke, was es überhaupt bewirken soll. Es wird sich gar nichts ändern.

    Tja, die Tiroler Gastronomie in kurzen Worten: Zugeschnitten auf Touristen, woher auch immer, zumindest die Preise, Haubenspeisekarte, Phantasiespeisen, Nouvelle-Cuisine-übergroße Teller mit überschaubaren Portionen, meistens nur eine Biersorte verfügbar und wenn es eingeschenkt ist, dann kann man Wetten abschließen, ob die Flüssigkeit den Pegel je erreichen wird. Nach dem Genuss darf man dann zum Genuss der Zigarre vor die Haustüre gehen, alles wahnsinnig gemütlich.

    Darum verzichte ich schon seit etlichen Jahren auf die Tiroler Gastronomie und genieße in meinem Garten mein Bier in allen Variationen und rauche meine Zigarre dazu ohne dass mich jemand abzockt oder sonstwie auf den Nerv geht.

    Es hat Lokale gegeben, wo ich gerne hingegangen bin, aber das hat sich alles geändert. Ich habe leider genaue Vorstellungen von solchen Lokalen:
    Gemütliches Ambiente, Holzeinrichtung, es muss nicht perfekt sein, kein Glashaus
    Flotte Bedienung, nicht die, die immer in die andere Richtung schaut
    Einfache Karte mit bodenständigen Speisen
    Gutes Preis-Leistungsverhältnis
    Das Bier hat die Marke schon erreicht, wenn es auf den Tisch gestellt wird
    Ein großes Bier ist ein halber Liter, nicht 0,4 L wie vor allem in Italien üblich. Das ist überhaupt ein EU-Betrugsmaß, wenn es schwach eingeschenkt ist, dann sind es nur mehr 0,3 L, also ein kleines Bier, obwohl man ein großes bestellt hat.
    Ich möchte auch rauchen vor meinem Bier, nicht im Stehen und/oder vor der Tür ums Eck.

    Von wegen der Gast ist König, das war vielleicht einmal, heutzutage ist er der Sklave von Bestimmungen, Verordnungen, Beschränkungen und Verboten. Die Speisekarte strotzt vor Hinweisen auf Allergene, Laktosefreiheit und Glutenfreiheit, alles für die Gesundheit. Irgendwann werden sie es schon schaffen, Nahrungsmittel zu produzieren, die von allem frei sind, auch von Geschmack und Farbe, kein Problem, kann man alles hinterher dazugeben.

    Der geneigte Leser wird einsehen, dass mir nur mehr der eigene Garten bleibt.

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