Das falsche Spiel mit dem Glück

Sportwetten sind in Österreich omnipräsent.

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Foto von Noah Silliman auf Unsplash
Foto von Noah Silliman auf Unsplash

Wer hierzulande Fußball schaut, jene Sportart, die bei Wettanbietern mit Abstand am populärsten ist, kommt quasi automatisch mit Glücksspielanbietern in Berührung. Für Sportwettanbieter wird nämlich nicht nur in Halbzeitpausen geworben, sondern auch auf Trikots, in den Vereinsnamen und bei der Bezeichnung der höchsten heimischen Spielklasse selbst (Admiral Bundesliga).

Sportwetten werden kaum kritisiert und sind für viele Österreicher:innen Normalität. Das liegt auch an den Gesetzen, denn anders als in Deutschland, zählen Sportwetten in Österreich offiziell nicht zu den Glücksspielen – sie gelten als Geschicklichkeitsspiele und unterliegen damit eben nicht dem Glücksspielgesetz. Eine Illusion für Spieler:innen, denen dadurch vorgegaukelt wird, dass sie mit entsprechender Expertise und ausreichenden Analysefähigkeiten locker gegen die Bank gewinnen könnten – und das, obwohl sie selbst auf den Ausgang einer Partie keinerlei Einfluss haben. Weder nehmen sie am Spiel teil, noch können sie das entsprechende Ergebnis in irgendeiner Art und Weise verändern. Spieler:innen können auf den Ausgang eines Spiels einzig und allein ihr Geld setzen und spielen damit lediglich mit ihrem Glück.

Sportwetten werden wie bereits erwähnt also per Gesetz von Spielen wie Black Jack oder Poker abgegrenzt, die (hohe) Glücksspielkomponente sowie das enorme Suchtpotenzial wird ignoriert und Menschen werden durch penetrante und häufige Werbung immer wieder geködert. Vereine und Verbände agieren dabei als Multiplikatoren und sorgen dafür, dass sich Fußballbegeisterte dem Thema in keinem Fall entziehen können. Wer nämlich beispielsweise Anhänger des SCR Altach ist, oder einem beliebigen Verein der gegen den Klub aus Vorarlberg antreten muss, der kommt damit auch mit „Cashpoint“ in Berührung – einem Glücksspielanbieter mit Sitz in Malta, der zwar hauptsächlich Sportwetten anbietet, allerdings auch über ein Online-Casino verfügt.

Der Name des Anbieters thront allerdings nicht nur groß auf dem Trikot der Altacher, er befindet sich auch im Vereins-Wappen und in der Arenabezeichnung. Er gehört damit quasi zum Klub und wird mit diesem identifiziert. Da ist es auch nicht groß verwunderlich, dass mit Roland Hobiger der Geschäftsführer von Cashpoint im Aufsichtsrat des SCR Altach sitzt. Hobiger findet sich neben dieser Tätigkeiten auch im Aufsichtsrat des Floridsdorfer AC wieder, und ist darüber hinaus auch Vorstandsmitglied des Österreichischen Sportwettenverbandes (OSWV).

Wer an dieser Stelle nicht weiß, was der Österreichische Sportwettenverband ist, dem hilft ein Blick auf die Website. Dort ist nämlich zu lesen, dass dem „OSWV“ neben der Wahrung der Integrität des Sports unter anderem auch „Spielerschutz sowie Prävention und Hilfestellung in sozial schwierigen Lebenslagen“ ein großes Anliegen seien. Dass dies jedoch ein Widerspruch in sich ist, weil die beste Prävention und der größtmögliche Spielerschutz (neben dem Nicht-Spielen) ein umfangreiches Werbeverbot wäre, wird hier außer Acht gelassen. Kein Wunder, wenn die Vorstandsmitglieder selbst Betreiber von diversen Wettanbietern sind, und diese bestimmt keine Umsatzeinbüße, die mit Prävention und (tatsächlichem) Spielerschutz einhergehen, hinnehmen würden.

Diese Umsätze sind es auch, die die zahlreiche Werbung überhaupt erst möglich machen. Denn Verbände und Vereine sind sich dem Suchtpotenzial vermutlich durchaus bewusst, doch ist die Verlockung der Sportwetten-Industrie, die gewiss sehr viel Geld zur Verfügung stellt, für sie wohl zu groß. So belief sich der Bruttospielertrag bei Sportwetten, also die Differenz zwischen Spieleinsätzen und Gewinnauszahlungen, im Jahr 2021 in Österreich trotz der Corona-Pandemie auf 207 Millionen Euro. Bei Online-Glücksspielen, die die meisten Sportanbieter auf ihrer Website ebenso anbieten, sind es zusätzliche 339 Millionen Euro.

Studien zu Spielsucht und betroffenen Personen gibt es in Österreich nur wenige, auf der Website des Sozialministeriums findet sich lediglich eine Studie wieder, die im Zeitraum zwischen Juli 2009 und Februar 2011 als „erste österreichische Studie zur Prävention der Glücksspielsucht“ durchgeführt wurde.

Laut dieser haben 42 Prozent der Bevölkerung im Alter von 14 bis 65 Jahren (Unter 18 Jahren ist die Beteiligung an Glücksspielen oder Geschicklichkeitsspielen um Geld oder Geldeswert sowie an öffentlichen Wetten eigentlich verboten) innerhalb des Studienzeitraums an Glücksspielen teilgenommen. Klassische Casinospiele, Sportwetten und Glücksspielautomaten werden der Stuide nach überdurchschnittlich häufig von Männern, zwischen 18 und 35 Jahren, Personen mit Pflichtschulabschluss und Arbeitslosen gespielt und 0,7 Prozent der Befragten (in etwa 64.000 Personen) weisen ein pathologisches, also krankhaftes, Spielverhalten auf.

Doch trotz dieser Zahlen, die heute wohl durchaus höher ausfallen dürften, blieben entsprechende Aufklärungsaktionen und Werbeverbote aus. Sportwetten in Österreich sind weiterhin privilegiert, nicht nur aufgrund der (fälschlichen) Einstufung als Geschicklichkeitsspiel, sondern auch aufgrund der geringen Abgabequote. Denn während für einen Lotto-Tipp eine Abgabe von 40 Prozent fällig ist, sind es bei einer Sportwette nur zwei Prozent. Argumentiert wird hier vom Verwaltungsgerichtshof eben damit, dass der Ausgang eines Sportwettbewerbs nicht allein vom Zufall abhängt – eine Lüge, sofern das Spiel nicht manipuliert ist. Zugleich fragt man sich an dieser Stelle, wo hierbei der Unterschied zum Spiel „Poker“ liege, dessen Geschicklichkeitsanteil vermutlich sogar höher sei als jener bei Sportwetten, da man beim Poker das Spiel mit seinen Aktionen zumindest aktiv beeinflusst.

Und wer an dieser Stelle dennoch argumentieren will, dass sich Sportwetten von Spielen wie Black Jack und Poker klar abheben und dadurch sehr wohl umfassender beworben werden dürften, der muss zumindest den Fakt als kritisch ansehen, dass auf den meisten Sportwett-Plattformen zugleich auch ein Online-Casino implementiert ist. Und in diesen ist es dann eben möglich, sein Geld in Black Jack und Poker, aber auch in Slots, der reinsten Glücksspielform mit dem wohl höchsten Suchtpotenzial, zu stecken. Und mit diesem zweigeteilten Angebot, das sich eben nicht voneinander abgrenzt und auf derselben Plattform verfügbar ist, ist die Werbung für Sportwetten, egal ob man diese nun als Geschicklichkeits- oder Glücksspiel einordnet, immer auch Werbung für tatsächliches Glücksspiel. Womit eigentlich klar sein sollte, dass zumindest die Werbung für einen Wettanbieter, dessen Angebot darüber hinausgeht, dem Glücksspielgesetz unterliegen sollte.

Solange es dies nämlich nicht tut, wird Personen weiterhin suggeriert, dass der Erfolg nur eine Wette entfernt wäre, „der Ball bei einem selbst läge“, und man mit genügend (Fußball)-Wissen das System überlisten könnte. Innerhalb von Sekunden und nur mit wenigen Klicks könnte man Millionen gewinnen und unbegrenzten Reichtum erlangen, durch Kombi- und Livewetten lässt sich der vermeintliche Gewinn in abstruse Höhen multiplizieren. Dabei ist schon im Vorhinein längst ersichtlich, wer am Ende als Sieger hervorgeht – auch wenn es einer Partei bei Abschluss der Wette noch nicht klar ist. Und um durch den Abschluss von Sportwetten tatsächlich Millionär zu werden, müsste man vorher schon Milliardär sein.

2000er-Jahrgang. Student. Schreibt gelegentlich Bücher und Texte. Mag alles was mit Sport zu tun hat. CR7 > Messi.

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