Hauschka im Treibhaus Innsbruck: Einladung zum Tanz

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Wir waren uns im Gespräch vor dem Konzert eigentlich einig. Hauschka macht Popmusik. Was ja nichts schlechtes sein muss. Seine Musik ist einladend und versöhnend und will erst gar nicht sperrig, kompliziert oder rhythmisch vertrackt sein. Das Wort generös fiel mir nach dem Konzert ein. Die Musik thematisiert dabei, zumindest was die Bilder im eigenen Kopf betrifft, die Einsamkeit ebenso wie das Einsam-Sein in der großen Massen und in der Welt, die unverständlich geworden ist.
Ein schönes Bild ergab sich in einem Gespräch nach dem Konzert mit meinem Kollegen F. Er widersprach Hauschka ganz grundlegend, wenn es um die Wirkung seiner Musik ging. Hauschka hatte beim Konzert in seiner ersten Ansage angemerkt, dass er seinen neue Platte verlassenen Orten und Städten gewidmet hat. Diese Widmung ginge dann auch als Metapher durch für seine Art des Komponierens, die zugleich einsam ist und zugleich überwältigend und erfüllend. Spätestens dann, wenn die fertige Komposition dann mit der breiteren Masse geteilt werden könne. Mein Kollege meinte jedenfalls, dass er dieses Bild der Einsamkeit nicht nachvollziehen könne. Vielmehr ist seine Assoziation eine andere. Wie eine Filmszene. Ein Mensch steht da. Zeitlupe.
Um ihn herum ist nicht Leere oder Verfall wie es bei verlassenen Städten und Orten der Fall ist, sondern das blühende Leben, die Buntheit und die Vielfalt einer großen Stadt. Diese Masse und das Drumherum verschwimmen aber. Die Schärfe des Blicks und des Bildes weicht der Indifferenz. Alles verschwimmt, wird unklar. Die Masse und alles in dieser großen Stadt wird unscharf, verschwimmt. Es ist ein Gefühl des Ertrinkens, des „In-Der-Masse-Aufgehens“.
Ein Gefühl, das Freud in einem anderen Kontext einmal als ozeanisch bezeichnet hat und das letztlich meint, dass das Subjekt nicht mehr von der Welt getrennt ist. Babys haben ein solches Empfinden, wenn sie glauben, dass ihre Mutter und sie die gleiche Person sind, untrennbar verbunden. Das Spiegelstadium in der sich eine Person manifestiert die autonom ist und eben nicht die Mutter ist, sondern ein eigenständiges Subjekt, ist eine Phase der Erkenntnis und der Abnabelung.
Was hat das aber mit der Musik von Hauschka zu tun? Vielleicht das hier: Hauschka macht Musik, die eine Sehnsucht anspricht. Die die Trennung von Welt und Person nicht akzeptiert, sondern Momente des Verschmelzens und des Eins-Werdens thematisiert. Elegisch kann das genannt werden. Melancholisch. Oftmals auch schmerzhaft, weil deutlich wird, dass eine solche Verschmelzung nicht mehr möglich ist. Es bleibt ein Sehnen, die Musik von Hauschka drückt ein Begehren aus, das nicht befriedigt werden kann.

Hauschka im Treibhaus: Eine Einladung zum Tanz?
Hauschka im Treibhaus: Eine Einladung zum Tanz?

Die Musik von Hauschka: Music for the masses?
Die Musik von Hauschka gefällt dabei eigentlich so gut wie jedem. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Konzert gestern jemand verlassen hat, der nicht irgendwie beglückt oder zumindest zufrieden gewesen ist. An der musikalischen Konzeption lässt sich dabei nichts aussetzen. Hauschka hat seine ganz eigene Nische gefunden, die sich irgendwo zwischen einladender Hörbarkeit und melancholischem Schönklang befindet, alles garniert mit ganz viel Raffinesse. Ein Paar ganz in unserer Nähe bewies, dass sich zu dieser Musik auch ganz vorzüglich kuscheln lässt. Einige seiner Tracks kann man sich gar für das eine oder andere Schäferstündchen vorstellen. Seine Musik ist romantisch, romantisierend, durchschaubar und nachvollziehbar. Geschickt umschifft sie aber die Klippen der Banalität.
Interessant dabei ist, dass die Musik, die sich manchmal sogar in aufziehenden Drone-Wolken oder noisigen Ambient-Gewässern versuchte, dennoch bemerkenswert spannend blieb. Die Art der Präperation des Klaviers war nicht neuartig, aber von erstaunlicher Originalität und Einfallsreichtum. Das Klavier stand oft auch in einer perkussiven Funktion, zu der sich Hauschka das eine oder andere wunderschöne, perlende Motiv abrang. Mit zum Teil erstaunlichen Ergebnisse. Und mit dem Erfolg, dass man zum Teil am liebsten die Bestuhlung im Treibhaus-Turm Bestuhlung hätte sein lassen wollen und sich gerne auf einer potentiellen Tanzfläche zu den Klängen bewegt hätte.
Eines war die Musik aber nie, trotz der Nähe zu elektronischer und tanzbarer Musik: Banal oder zu einfach gestrickt. Dafür sorgten vor allem die klangliche und rhythmische Ebene, die dann eben doch ausgefuchster und komplexer war, als man es im ersten Moment vermutet hätte. Dennoch verzichtete Hauschka bewusst darauf, allzu komplexe Rhythmen durch die Repetition seiner Musik zugänglich zu machen.
Er ist eben kein Aufklärer, niemand, der schwierige Musik mit den Mitteln der Wiederholung und der Rhythmik zugänglich machen möchte. Hauchka ist jemand, der verbindet und vermutlich sehr vielen Menschen gefällt: Hörern von klassischer Musik, Ambient-Hörern, Noise-Liebhabern, Pop-Romantikern. Dass er dabei nicht anbiedernd wirkt, sondern eben seine Nische bespielt, die ihm tatsächlich weltweit niemand streitig machen kann, ist seine große Stärke. Hauschka macht was er macht. Und das tut er verdammt gut.
Insgesamt: ein mehr als überzeugender Konzertabende, der so ganz anders war, als ich es mir von einem „Klavierabend“ erwartet hätte.

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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