Universum: das Stammlokal und seine Bewohner

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(c) Markus Stegmayr, bearbeitet von F.K.

Das menschliche Leben ist dank der Entwicklung gewisser kultureller Einrichtungen nicht nur erträglich, sondern manchmal auch ein Hochgenuss. Einer dieser hervorzuhebenden Genialitäten ist das Stammlokal. Dabei gibt es unterschiedlichste Typen. Natürlich kann man ein großes Restaurant oder ein typisches Kaffeehaus als Stammlokal wählen, doch bevorzuge ich ganz konkrete Eigenschaften. Von Bedeutung ist für mich die Größe des Lokals bzw. die Kleinheit: Ein Stammlokal muss so übersichtlich sein und so wenige Kellner beschäftigen, dass sich alle Beteiligten kennen. Notwendig ist dies für die individuelle und möglichst unkomplizierte Wunscherfüllung des Stammgastes. Ebenfalls wichtig ist ein gewisser Anteil an qualifizierten Alkoholikern, sonst tun sich viel zu wenig menschliche Abgründe auf.
Innerhalb dieser Kategorie von Stammlokal gibt es diverse Arten von Stammgästen. Eine besonders bedeutsame Variante ist die „Einrichtung“. Hierbei handelt es sich nicht um die Tische, Stühle und den Tresen, sondern um einen Gast, der immer anwesend ist. Egal ob gerade Urlaubssaison, der Weihnachtsabend oder der Geburtstag der Ehefrau ansteht, er sitzt da und verfolgt nur einen Plan im Leben: möglichst viele Stunden in seiner Stammkneipe zu verbringen. An besonderen Abenden sagt der Wirt dann mit einem verklärten Gesichtsausdruck: „Ja, der X gehört zum Inventar.“ Ein anderer eher unangenehmer Typus ist der „Gschaftler“. Er erfüllt zwar nicht die Aufenthaltsdauer der „Einrichtung“, taucht aber doch häufig auf und geht allen auf die Nerven. Er weiß, dass es nichts gibt, was er nicht kennt und diese Erkenntnis muss er auch lautstark verkünden. Ebenfalls zu den eher schwierigen Zeitgenossen gehören die „Wirtsempathiker“. Sie sind voller Verständnis für die Sorgen und Probleme des Lokalbesitzers und arbeiten dank ihres Helfersyndroms auch gerne kostenlos mit.
Mir besonders sympathisch sind zwei andere Kategorien von Stammgästen. Der eine ist der „Dreiakter“ und der andere der „Siebenakter“. Während der „Dreiakter“ morgens, mittags und abends kurz reinschaut, um entweder einen Kaffee oder einen Pfiff zu konsumieren, kommt der „Siebenakter“ (wer hätte das gedacht) sieben Mal am Tag rein. Der „Siebenakter“ konsumiert dabei ein spezielles Getränk, das mit den Worten „Ein Spezial“ geordert wird. Das „Spezial“ kann aus einem Bacardi-Cola im 50/50 Verhältnis bestehen, einem Bier mit Schnaps oder einem Espresso bianco (Vodka in der Kaffetasse). Weitere teils verblüffende Typen sind der „Zeitungsleser“, der „Jammerer“ und mein absoluter Liebling: der „Starrer“. In jeder halbwegs vernünftigen Trinkerkneipe wird man ihn treffen. Er sitzt am Tresen und starrt ins Nichts. Nach einer individuellen Menge von Bieren zahlt er wortlos und geht. Keiner weiß wovon er lebt, keiner weiß wie es um ihn steht, aber er fühlt sich nicht so allein in der lohnenden Institution Stammlokal.

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