Was uns die "Osterhöschen" über die österreichische Debattenkultur verraten

7 Minuten Lesedauer

Am 15. April, also einen Tag vor dem Ostersonntag, postet Palmers auf der Firmen-Facebookseite ein Bild. Überschrieben ist dieses mit dem Text „Unsere Osterhöschen“. Darauf sind sechs junge Frauen zu sehen, die Panties in unterschiedlichen Farben tragen. Die Frauen sehen jung aus. Sie liegen auf einem Teppich, der wiederum auf eine Art Marmorboden gelegt wurde. Vor ihnen liegt Moos und allerlei Zeug, das man eher im Wald als in einer Wohnung vermuten würde.
Der Zusammenhang dieses Wald- und Wiesen-Szenarios mit dem Kerzenhalter ohne Kerzen auf der linken Seite des Bildes lässt sich außerdem kaum ergründen. Ebenso ist es unklar, wo sich die jungen Frauen exakt befinden und warum sich die Natur in die Wohnung eingeschlichen hat. Mit schlechter Isolierung kann es eigentlich nichts zu tun haben, denn Schimmel sieht anders aus. Wahrscheinlicher ist, dass man, in einer Art Kurzschluss-Logik, die Natürlichkeit der Frauenkörper in Verbindung mit der Natur an sich bringen wollte.
Somit ließe sich das Werbesujet als plump und ein wenig peinlich beschreiben. Weder das Wortspiel „Osterhöschen“ noch die Inszenierung des Bildes überzeugen oder sind gar wirklich erotisch oder klug. Damit ließe sich das Bild ad acta legen.
Doch die Sache ist noch weit komplexer. An diesem schlichten Sujet hat sich eine Debatte entzündet, die sehr viel über die derzeitige Debatten-Kultur in Österreich aussagt. Den Anfang macht Nikolaus Kern. Er formuliert es wie folgt: „Die neue Palmers Kampagne erinnert an einen osteuropäischen Menschenhändler Ring“. Das tut er auf Twitter kund. Es dauert nicht lange bis ihm Florian Klenk Recht gibt. Auch Corinna Milborn äußert sich. Bei ihr wird der Wald zum „Dreck“ und das Szenario erinnert sie ebenfalls an „Menschenhandel“. Dass die Frauen von hinten fotografiert und somit quasi zur „Ware“ werden behagt Milborn ebenfalls nicht.
Vorab hat sich Felix Baumgartner geäußert. Wenig verwunderlich auf ganz andere Weise. Er findet die „Mädels“ Weltklasse und merkt an, dass er da gerne mal ohne Fallschirm dazwischen „reinspringen“ wolle. Auch eine frühere Kritik von Frau Milborn am Sujet kommentiert er damit, dass es „bei der Figur kein Wunder“ sei, dass sie sich so äußere.
Damit sind die Positionen abgesteckt. Diskutiert wird ausschließlich mit dem Holzhammer und der Ideologie-Schutzbrille. Klenk und Kern diskutieren mit dem Moral-Holzhammer, Baumgartner mit dem Macho-Holzhammer und Milborn mit dem Gender-Holzhammer. Die Ideologie-Schutzbrille verhindert dabei, dass sich der jeweilige Diskutant gefährdet oder auf allzu unsicheres Terrain begibt. Stattdessen ermöglicht sie es, dass sich jeder Beteiligte ohne Gefahr dem Zuspruch und des Lobes aus dem eigenen Lager sicher sein kann.
Benutzerinnen und Benutzer des Gender-Holzhammers werden nicht müde zu argumentieren, dass vor allem das Verhalten von Baumgartner typisch männlich sei. Mit dem Hinweis auf die eigene Figur und der Unterstellung von „Neid“ würden Frauen entwertet und auf ihren Körper reduziert. Frauen seien in diesem Diskurs entweder zu schön, zu blond oder zu dick, jedenfalls aber niemals ernst zu nehmenden Diskussionspartnerinnen.
Anstatt mit den jungen Frauen eine Diskussion über den Zustand der Welt zu führen, müssten diese halbnackt auf einem Teppich liegen und „Dreck“ ansehen. Auch aus moralischer Sicht ist das nicht schön. Firmen haben schließlich Verantwortung und prägen und beeinflussen die Wahrnehmung der Welt bei ihren potentiellen Käufern. Es ist somit gut möglich, dass in Zukunft niemand mehr Probleme damit hat, dass junge Frauen auf Teppichböden liegen und sinnloserweise auf Moos starren.
Zwischen diese Positionen passt derzeit in der Debatte kaum eine andere Meinung hinein. Wer die Frauen erotisch findet wird in die Nähe von Baumgartner gerückt. Wer den Vergleich mit dem „Menschenhandel“ für überzogen und zu drastisch hält hat kein funktionierendes Moralempfinden und ist ein schlechter Mensch. Wer glaubt, dass nicht alles und jedes mit Gender-Theorie erklärt werden kann, hat keinen Sinn für Frauenrechte und für veraltete und problematische Rollenbilder, die unbedingt aufgebrochen werden müssen.
Was also tun? Vor allem ohne Ideologie-Schutzbrille diskutieren und sich auch einmal angreifbar machen. Möglicherweise wäre es auch ratsam, den Holzhammer nicht bei jeder Diskussion zum Einsatz kommen zu lassen und auf Worthülsen, vorgefertigte Diskussions-Schemata und abgegriffene Gemeinplätze zu verzichten. Dann würden die jungen Frauen wieder auf Moos und Wald anstatt auf Dreck starren und würden sich nicht irgendwo verschleppt und zur Prostitution freigegeben bei einem Menschenhändler befinden, sondern befänden sich bei einem Foto-Shooting.
Es wäre dann wieder ein leidlich originelles Werbe-Sujet mit jungen  Frauen, die aus unerfindlichen Gründen in dieses Szenario gelegt wurden. Man könnte somit von den Machern des Bildes mehr Geist, mehr Intelligenz und ein besseres Händchen für erotische Bilder und Szenarien einfordern. Man dürfte sich dann auch eingestehen, dass trotz des misslungenen Settings die eine oder andere Frau eine gute Figur hat und durchaus anziehend wirkt.
Indes ist es unklar ob es uns in Österreich jemals wieder gelingt, sachlich und nüchtern über das zu reden und zu diskutieren, was wirklich zu sehen ist ohne es ideologisch zu verzerren. Es gelingt uns nicht einmal bei den an sich harmlosen „Osterhöschen“. Wie sollte es dann auf politischer und gesellschaftlicher Ebene funktionieren?

Hier geht es zur vorherigen Folge von "Kleingeist und Größenwahn".

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

1 Comment

  1. gea iaz makko galling o amol eini hearsch ma au da in höschen einischaugn du schlawiner sinscht ziach i dr die löffl long sell sog i dr odr eppa itta

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