Was ist ein Gender-Holzhammer? Und wo kann ich den kaufen?

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(c) Sergey Ivanov, Murder of a cherry, flickr.com

Das Banalisieren und Subsummieren von Argumenten durch die Ideologiekeule – nachzulesen in der gestrigen Kolumne – schadet einem offenen Diskurs, indem eine klare Entwertung der Diskursbeiträge stattfindet. Sie stellen nichts anderes als sogenannte Sprach- und Denkeinschränkungen sowie moralische Erhöhungen dar. Im Fahrwasser der Kritik an der political correctness schreibt es sich zurzeit ohnehin recht gut. Boulevard und populistische (Führer-)Parteien lassen grüßen. Die eigene Ideologie lässt sich dabei mit der Ideologiekritik und dem Holzhammer-Vorwurf sehr gut verbergen. Nebenbei entsteht eine moralische Erhöhung der eigenen Argumente, wenn ich meine als nüchtern und – zwischen den Zeilen – objektiv verkaufe, jenen der Gegenseite aber jedwede Sachlichkeit zu nehmen versuche. Die Konsequenz ist, dass ich mich mit den Kernaussagen der Debatte nicht beschäftigen muss, egal ob sie einen Mehrwert erzeugen und faktisch relevant sind.
Gesellschaftspolitisch hat es jene Konsequenz, dass diese Sicht auf die Dinge eine Verpackung für die Echauffierten ist, die sich nichts mehr sagen trauen, aber dann doch alles sagen. Die sich schon allein durch die Debatte über Wortkonnotationen in ihrem Denken und Handeln eingeschränkt fühlen. Denen political correctness wie ein Holzhammer im Magen liegt. Ich weiß nicht ob es ein Sprechverbot darstellt, wenn Menschen darauf hingewiesen werden, dass ihre Wortwahl beleidigend oder diskriminierend ist und ob sie sich diesem Charakter bewusst sind. Sich anschließend in das Opfereck zu verabschieden um dann mit einer „Jetzt erst recht“ Mentalität – ohne jegliche Form der Reflexion – Wörter, die ihnen emotional relativ egal wären, zu verteidigen, nur damit ihre Gedankengänge nicht gedankenlos wirken, ist eigentlich das Gegenteil eines Debattenbeitrags. Es ist eine Negation, ein Ablehnen der Auseinandersetzung. Und stellt ein klassisches Fluchtverhalten von (neo)liberalen Köpfen dar, denen die Freiheit (der Worte, der Gedanken) mehr zählt, als der Diskurs. Dies wäre ja kein Widerspruch, sondern ließe sich perfekt in einer Debatte abarbeiten. Leider kommt es oftmals gar nicht dazu. Anstatt sich mit Positionen zu konfrontieren, werden ideologische Hintergründe bewertet. Die Inhalte aber bleiben unbeantwortet. Die Frage stellt sich, wer hier wo und wie seine Argumente absteckt, um sich nicht angreifbar zu machen?
Konkret auf die Osterhöschen-Debatte bezogen, heißt das, dass es uns nicht hilft, uns pseudoideologiefrei zu positionieren um uns dann erst recht später in die Nähe von Felix B. zu rücken, indem wir den nüchternen Wert des Sujets betrachten und uns unter Umständen über die sexuelle Erregung des Bildes Gedanken machen. Es steht natürlich jedem und jeder frei dies zu tun, oder eben auch nicht zu tun. Debattenessentiell wäre es auf die konkreten Inhalte der vermeintlich ideologischen Kritik einzugehen und die sind, beim Auseinandersetzen mit Gendertheorien (Mehrzahl!) und einer gelebten Sexismusdebatte einfach nicht von der Hand zu weisen. Das Lolita-Image in einer entmenschlichenden Pose (ohne Gesicht) ist hier sicher ein Faktum, das es aufzuschlüsseln gilt. Den innewohnenden Machtdiskurs der Bildsprache zu thematisieren und sich damit öffentlich auseinanderzusetzen, müsste das Ziel sein, nicht ein Einteilen in gute und schlechte Gesprächsführung oder richtige und falsche Argumente.

1 Comment

  1. Danke, endlich ein konstruktiver grundlegender Beitrag mit Forderung nach angebrachter Selbstkritik!
    @Stegmayr: Bitte ebenfalls überall posten, das kann dem AFEU nur dienen.

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