Foto von Anthony DELANOIX auf Unsplash / Foto von Anthony DELANOIX auf Unsplash
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Sekt, Opernball und ein Kilogramm Äpfel

Über realitätsferne Politiker.

5 Minuten Lesedauer

Amüsant, aber eigentlich ziemlich traurig wird es in Österreich immer dann, wenn irgendwelche Politiker:innen, die mit Armut vermutlich ebenso viel am Hut haben wie der Fußballverein Manchester City mit Financial Fairplay, über eben jenes Thema sprechen. Die Armut.

Zu diesen gehört seit Neustem auch die Politikerin Maria Großbauer (selbstverständlich Mitglied der ÖVP), die mit einem höchst unglücklichen Paradebeispiel der Realitätsferne auf sich aufmerksam machte. So verteidigte diese nämlich den zweiten Teil des Pakets gegen Kinderarmut, das Haushalten mit niedrigem Einkommen sage und schreibe 60 Euro zusätzlich einbringt, und welches der NEOS-Abgeordnete Yannick Shetty mit einem ziemlich ungünstigen aber im Kern richtigen Beispiel so gemein kritisierte.

Dieser wagte es nämlich zu behaupten, dass sich damit ja dennoch keine warme Mahlzeit zubereiten ließe, und als dann auch noch die SPÖ besagtes Paket ablehnte, weil zeitlich begrenzte Einmalzahlungen nun mal nicht die Lösung des Problems sind, platzte Maria Großbauer schließlich der Kragen.

Für sie sei es nämlich „wirklich unglaublich, dass man etwas Gutes so schlecht reden kann. Um die heruntergerechneten zwei Euro pro Tag ginge sich ja „immerhin eine warme Mahlzeit, beispielsweise ein Kilo Äpfel der Marke Gala aus, und das wären dann schon so vier bis sechs Stück.“ Also quasi six apples a day keep the Armut und den Hunger away, oder so.

Wer diese privilegienblinde Maria Großbauer eigentlich ist, die Menschen erklären will, was sie sich zu leisten und zu kaufen haben und warum sie immer zum Billigsten vom Billigsten greifen sollten? Klingelt beim goetheschen Zitat „Auf’s Gwissn wird gschissn was“? Nicht? Nun gut, dann „möchte“ ich diese Poltikkoryphäe, die sich eigentlich dafür schämen müsste, Haushalten mit niedrigem Einkommen überhaupt irgendwelche realitätsfernen „Tipps“ zu geben, nun kurz vorstellen.

Denn Maria Großbauer kennt das Wort Armut, wenn überhaupt, nur aus dem Wörterbuch. Aufgewachsen ist sie nämlich als Tochter des ehemaligen Mitglieds der Wiener Philharmoniker Karl Jeitler im niederösterreichischen Ternitz. Ihren ersten Musikunterricht erhielt sie mit fünf Jahren, sie lernte sowohl Block- als auch Querflöte sowie Klavier und Saxofon. Anschließend maturierte sie, besuchte nebenbei noch die „Berlitz School of Languages“ und arbeitete neben ihrem Studium zunächst als Werbetexterin.

Sie wirkte auch ein bisschen als Musikerin, aber so richtig „bekannt“ wurde Großbauer erst im Jahr 2016, als sie als neue Organisatorin des Wiener Opernballs vorgestellt wurde. Zudem wurde sie nur ein Jahr später als Abgeordnete der Neuen Volkspartei in den Nationalrat gewählt und schien auf Platz sechs der Liste Kurz auf. Ach ja, und übrigens ist sie „Österreichische Sektbotschafterin“, wie sie auf ihrer eigenen Website stolz hervorhebt. Daneben findet sich auch das schöne Zitat „Ein gutes Glas Sekt von unseren Österreichischen Sektwinzerinnen und Sektwinzern passt immer. Es ist also so gut wie IMMER: Sekt o’clock!“, welches in ihren Kreisen natürlich stimmen möge, ihren Aussagen über Armut allerdings durchaus weniger Bedeutung zukommen lässt.

Ebenso wenig macht das ihr bekanntestes Zitat „Auf’s Gwissn wird gschissn“, das ursprünglich von ihrer Großmutter stammt und laut eigenen Aussagen „für jede Lebenssituation anwendbar ist.“ Und ja der Spruch könnte auch das Motto ihrer Partei sein und zumindest muss man ihr Ehrlichkeit attestieren, aber für sie spricht diese präpotente Aussage wohl eher nicht. Und in Anbetracht dessen wirkt es dann noch um einiges doofer, wenn eine Sektbeauftragte behauptet, dass Kinder aus ärmeren Verhältnissen einfach vier bis sechs Äpfel essen sollten, um satt zu werden.

PS: Bei all der Kritik an der ÖVP, die es einem leider sehr leicht macht, ist auch die Aussage des NEOS-Abgeordneten und Sozialsprechers Gerald Loackers nicht besser, der die zwei Euro pro Tag als „negativen Anreiz für den Arbeitsmarkt bezeichnet.“ Denn klar Gerald, wegen den 60 Euro mehr im Monat lohnt es sich natürlich, zuhause zu bleiben und sich irgendwie über die Runden retten zu müssen.

2000er-Jahrgang. Student. Schreibt gelegentlich Bücher und Texte. Mag alles was mit Sport zu tun hat. CR7 > Messi.

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