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Von den versinkenden Inseln

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Irgendwann, noch in der „guten alten Zeit“, wie wir sie jetzt nennen, erreichte mich eine der wilden alarmistischen Meldungen aus der Südsee, wo ja, wie heute jedes Kind weiß, die Inseln reihenweise im Meer versinken, weil wegen des Klimawandels der Meeresspiegel steigt usw., Sie kennen die Platte. Diesmal, es war im Jahr 2017, betraf die Meldung die Fidschi-Inseln, deren Präsident gerade den Vorsitz bei der Weltklimakonferenz innehatte. Das gefiel mir ziemlich gut, weswegen ich meine übliche Rechenfaulheit aufgab und mir auszurechnen versuchte, wann beim derzeitigen Tempo des Meeresspiegelanstiegs diese Inseln versunken sein würden. Das Ergebnis: Derzeit ragen die Fidschis bis zu 1324 m aus dem Meer, sodass es bei gleichbleibend ansteigendem Meeresspiegel noch gegen eine Million Jahre bis zu ihrem Untergang dauern würde. Die dafür nötige Menge an Wasser dürfte selbst durch Abschmelzen allen Eises auf der Erde nur schwer zusammenzubekommen sein. Von dieser Milchmädchenrechnung abgesehen, könnte man ja auch wissen, wenn man wollte, daß der Meeresspiegel weltweit sich sehr unregelmäßig verhält, das heißt es gibt Küsten, die sozusagen dabei sind, aus dem Wasser aufzutauchen, und andere, die tendenziell eher beim Versinken sind, und das aus verschiedensten Gründen.

Aber zurück zum Pazifik. Von dort erreichte uns, ebenfalls in den letzten Jahren der guten alten Zeit, eine der bekannt guten Reportagen des deutschen Schwindelreporters Claas Relotius, der da über das im Meer versinkende Kiribati schrieb. Bald darauf, als seine allgemeine Schwindelhaftigkeit aufflog, wurde bekannt, daß er nicht nur nie selber auf Kiribati gewesen war, sondern daß ausgerechnet bei dieser Inselgruppe überhaupt keine Rede davon sein kann, daß hier irgendetwas untergeht.

Dem ist nun hinzuzufügen, daß es eine umfassendere Studie aus Neuseeland über Wachstum oder Schrumpfen pazifischer Inseln gibt, und zwar auf der Internetseite des Global Warming Policy Forum (GWPF), die sich üblicherweise auf andere Quellen stützt bzw. diese zitiert oder zusammenfaßt, in diesem Fall eine Meldung von ABC News. In beiden Texten war das gleiche zu lesen, daß nämlich der größte Teil von hunderten untersuchter Inseln im Stillen und Indischen Ozean in den letzten 60 Jahren gewachsen sei, und zwar um bis zu 8 % der ursprünglichen Größe.

Das Erstaunliche an dem Beitrag von ABC (Australian Broadcasting Corporation) war allerdings etwas, was ich schon in meiner Glosse von letzter Woche bemerkt und bekrittelt hatte: die – vom Blickpunkt der Weltklima-Bedrohung – erfreuliche Entwarnung fand sich nämlich wiederum in allgemein gehaltene Alarm-Meldungen gewissermaßen eingepackt, wie etwa das Foto eines ungenannten Ortes mit der Bildunterschrift: „Many islands in the Pacific are low-lying and at risk due to rising sea levels.“ Das mag irgendwie irgendwo zutreffen, aber offenbar nicht für den Gegenstand der hier referierten wissenschaftlichen Arbeit. Der Link zu einer anderen Geschichte am Seitenende führt wiederum zu einer Gruselgeschichte über den Untergang einer Insel, die uns allerdings ohne wissenschaftliches Unterfutter begegnet, also eher im Relotius-Stil gehalten. Wenigstens deutet die Bebilderung darauf hin, daß irgendwer einmal dort war und ein paar Fotos gemacht hat.

Aber der Eindruck einer leicht maskierten Schwindelhaftigkeit bleibt auch hier bestehen. Auf diese Weise kann auch der größte Unsinn, tausendmal dementiert, tausendmal widerlegt, am Ende obsiegen, wenn man ihn nur oft genug wiederholt.

Walter Klier, geb. 1955 in Innsbruck, lebt in Innsbruck und Rum. Schriftsteller und Maler.
Belletristik, Essays, Literaturkritik, Übersetzungen, Sachbücher. Mitherausgeber der Zeitschrift "Gegenwart" (1989—1997, mit Stefanie Holzer). Kommentare für die Tiroler Tageszeitung 2002–2019.
Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a.: Grüne Zeiten. Roman (1998/Taschenbuch 2014), Leutnant Pepi zieht in den Krieg. Das Tagebuch des Josef Prochaska. Roman, 2008. Taschenbuch 2014). Der längste Sommer. Eine Erinnerung. 2013.
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