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Placebo-Effekte und politisches Pfingst-Wunder

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Wissenschaftler haben kürzlich herausgefunden, dass Menschen, welche positiv zur Corona-Impfung stehen, bereits zwei Wochen VOR der Impfung signifikant weniger häufig erkranken. Möglicherweise ist dies auf eine höhere Bereitschaft zur Risikovermeidung zurückzuführen, aber genauso gut kann es sein, dass allein schon die Vorfreude auf den Impftermin das Immunsystem stärkt und als Placebo dergestalt Widerstandskraft und Heilwirkung entfaltet.

Jedenfalls eröffnet diese Erkenntnis nun ganz neue Sichtweisen auf ein bisher vielfach falsch gedeutetes Phänomen im politischen Umgang mit der Pandemie. Man hat dem Bundeskanzler ja manchmal vorgeworfen, er würde seine überoptimistischen Vorhersagen nur tätigen, um dem jeweiligen Gesundheitsminister die Show und die guten Umfragewerte zu stehlen oder um von irgendwas Unerquicklichem abzulenken. Dabei hatte er wahrscheinlich nur im Sinn, die Resilienz der österreichischen Bevölkerung zu steigern, indem er frühzeitig schön- oder wegredete, wovor die Epidemiologen noch warnten. Allein der Glaube, das weiß er als Reserve-Heiland natürlich, kann Berge versetzen und Viren töten.

Deshalb reist er seit Monaten unermüdlich durch die Lande und predigt von Niederösterreich bis Vorarlberg bevorstehende Erleichterungen und Öffnungsschritte, die zwar mit niemandem abgesprochen und auch von Prognostikern noch keineswegs gedeckt sind, aber schon einmal gut klingen und sicher den nötigen Placebo-Effekt auslösen werden. So will er im Alleingang die Pandemie durch Worte besiegen, was dann wiederum den Glauben an seine Allwissenheit und Allmacht weiter festigen und somit im stetig steigenden Vertrauensindex den nächsten Placebo-Effekt für die nächste Krise bewirken wird (Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Korruptionskrise, Klimakrise, was auch immer folgen mag): Placebo ad infinitum.

Nachtrag: Es hat sich inzwischen das Pfingstwunder ereignet, dass nun auch seine Jünger mit der Frohbotschaft in allen ihren Sprachen vors Mikrophon treten dürfen. Der Rechts(s)gläubige weiß natürlich trotzdem, von wem Heil und Heilung einzig ausgehen. Halleluja!

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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