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Verräterische Frisuren

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Frisuren von Politikern sagen ja einiges aus. Bei Trump und Kim Jong-Un wurde die Frisur sogar zum ikonografischen Kürzel für ihre haarige Politik. Boris Johnson´s chaotische Nicht-Frisur verrät, als wer er sich verkaufen will: als nicht-konformer Bad-Boy der Konservativen, als Anti-Politiker – der er natürlich in keinster Weise ist. Seine Frisur überdeckt bloß einen beinhart taktisch-berechnenden Kopf. Es erfordert nämlich den akribischen Schnitt eines Meisters, um einen derartigen, voll chaotischen Eindruck aus dem leider sehr dünnen vorgegebenen Material zu zaubern.

Und jetzt haben die Österreicher doch tatsächlich einen Unterrichtsminister mit üppiger schulterlanger Haartracht bekommen. Na, so was! Und diese Frisur ist nicht den im Lockdown geschlossenen Frisiersalons geschuldet, sondern tatsächlich des Neo-Ministers freier Wille und persönliche Eitelkeit, dessen hat sich sogar Armin Wolf im ORF-Interview versichert. Hoffen wir bloß, da ist nicht mehr auf dem Kopf als in ihm drin!

Und wer erinnert sich nicht an den glatt geschleckten Haarschnitt eines früheren und auch des gerade zurückgetretenen österreichischen Finanzministers sowie unseres Kurz-Zeit-Kanzlers? So aalglatt frisiert wie deren Worte. Zu schön, um wahr zu sein. Soviel Gel und Glanz kannte man bis dahin nur aus Mafiafilmen. War hier die Frisur womöglich der erste Vorbote herandräuender Gerichtsverfahren?

Und soeben haben wir alle wieder einmal einen Lockdown hinter uns, und man würde annehmen, dass auch unsere Politiker solidarisch ein wenig zerrauft und zerwuselt daherkämen. Mitnichten! Es gibt offenbar zwei Menschengruppen, an denen die Frisörschließungen spurlos vorbeigegangen sind — die männlichen Bewohner von Flüchtlingsheimen und unsere Politiker.

Bei ersteren ist die Sachlage klar: In jedem Heim gibt es mindestens einen Mitbewohner, der allen anderen gekonnt die Haare trimmt. Das ist nämlich, neben Markenklamotten, das erste, das sie zur Wiedererlangung ihrer Menschenwürde anstreben. Man kann es ihnen nachfühlen, wenn man nach frisörlosen Wochen in den Spiegel schaut.

Bei zweiteren frage ich mich allerdings, wie die Parlamentarier und Regierungsmitglieder es schaffen, jederzeit mit tadelloser Frisur aufzutreten, nachdem sie das allen anderen vermiest haben. Hier ist kaum anzunehmen, dass einer der Kollegen zur Schere greift, auch wenn sie einander ständig die Köpfe waschen. Einzig bei Beate Meinl-Reisinger sieht man, dass ihre Haare von Auftritt zu Auftritt länger geworden sind. Der haarlose Arbeitsminister hatte natürlich auch kein Problem mit dem Lockdown für körpernahe Dienstleister, die er seinen Untertanen verordnet hat. Alle anderen jedoch scheinen irgendwo in einem Parlaments-Hinterkämmerchen einen illegalen Frisör versteckt zu halten. Oder treten sie nur deshalb, auch wenn sie nichts Neues zu verkünden haben, ständig im Fernsehen auf, um sich dort in der Maske schnell die Haare richten zu lassen?

Jedenfalls sei unseren Volksvertretern ins Stammbuch geschrieben: Wir beobachten euch haargenau! Wir Untertanen lesen heutzutage aus euren Frisuren, wie man es früher aus Tierknochen, Lebern und Schafgarbenstängeln oder gar geworfenen Eiern tat, euren Charakter und unsere Zukunft ab.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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