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Sprachliches Abwasserscreening

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Gendern, ja bitte, aber nur, wenn man weiß, was man tut!  Hier eine kleine Übersicht über zwei typische Genderpeinlichkeiten, die mir innerhalb nur einer Woche untergekommen sind *:

Erster Fall: Altgedienter Politfunktionär (SPÖ) im Fernsehen: „Pensionisten und Pensionisten …“

Ein weitverbreiteter Fehler, der einem fast täglich begegnet und zeigt, wie viel unbewusster Widerstand gegen die Einbeziehung von Frauen – außer als tumbes Wahlvolk – immer noch vorhanden ist, obwohl man die Frauen, es gehört sich einfach, doch auch irgendwie ansprechen sollte … Zugleich ein typischer Fall von ungenügend eingeübtem Medienverhalten, das nicht so weit reicht, dass man das „-innen“ auf einmal, nur wegen eines Mikrophons und des ORF, über die Lippen brächte. Dieser Fehler passiert vor allem älteren Politikern (vorwiegend männlich) und Sportkommentatoren (männlich); bei Letzteren verständlich, denn die leben noch in einer strikt nach Geschlechtern getrennten Welt. Ob das vielleicht der Grund ist, weshalb dieser Fehler auch Politikern von Altparteien in Bund, Land und Gemeinde ständig unterläuft?

Zweiter Fall: Jüngerer Bezirkspolitiker einer Altpartei (ÖVP) bei der Gründungsversammlung eines Tiroler Vereins, bei dem es immerhin um zu verteilende EU-Millionen geht: „Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen …“

Sowas kann passieren, wenn Geburtsdatum, Medienschulung und Parteitradition nicht wirklich in Einklang stehen. Vor allem kritisch wird es, wie in diesem Fall, bei einer Hybridveranstaltung, bei der im Saal fast nur Männer zu sehen sind (nämlich die Vorstandsmitglieder, weit überwiegend männlich und ÖVP), aber womöglich unsichtbare weibliche Vereinsmitglieder auf Zoom lauern.

Hier hilft nur eines: Üben, üben, üben, und die Vorstellungskraft dahingehend schulen, dass man sich die fehlenden Frauen wenigstens vorzustellen vermag. Es wäre jedenfalls anzuraten, zuerst einmal bescheiden zu beginnen, zum Beispiel mit der Anrede bei größeren Versammlungen, und das Gendern im Text erst später zu erlernen, wenn ersteres schon sicher sitzt. Im Redetext fällt fehlendes Gendern eh keinem mehr auf, weil niemand mehr zuhört.

Die andere Möglichkeit wäre natürlich, wenn z.B. die Altparteien nicht weiter die wichtigen Positionen auf allen Ebenen fast ausschließlich mit Männern besetzten. Allein der Anblick von ein paar Frauen bei den Sitzungen könnte den Lernprozess beschleunigen und Peinlichkeiten dieser Art verhindern.

Es ist jedenfalls erlernbar, wie manche Kommentatoren und Journalisten inzwischen beweisen, dass man verschiedene sprachliche Formen der Einbeziehung von Frauen dort anwendet, wo es Sinn macht und wo man das auch wirklich will. Nicht krampfhaft, sondern situationsbezogen, dann klingt es richtig.

Und zu allerletzt, liebe Machos und Altpolitiker- und -wähler:innen: Tut euch niemals Zwang an! Das geht immer daneben. Steht dazu, dass ihr im tief Innersten der Meinung seid, dass ein Mann in ganz vielem einfach besser und kompetenter ist als eine Frau! So können dann wenigstens Statistiker:innen aus der Zahl der genderfreien Meinungsäußerungen, wie bei Corona, aus dem (hier sprachlichen) Abwasser den Grad der Durchseuchung mit Geschlechtervorurteilen in unserer Gesellschaft errechnen.

*Bloß zwei neue Beispiele zum immergleichen Thema, das uns, so scheint es, noch eine Weile begleiten wird. Vgl. Sprachburka, AFEU vom 1.3.21

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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