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Vom Schummeln und Lügen 8 – Lügenregime

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Solschenizyn sagte einmal, dass ein Gewaltregime notgedrungen ein Lügenregime sei.  Ich ergänze: und ein Schweigeregime.

Die Reihenfolge, ob systematisches Lügen zum Gewaltregime führt oder das Gewaltregime Lügen hervorbringen müsse, ist damit noch nicht geklärt. Tatsache ist aber, dass bereits die Anfänge autokratischer Regime sich durch ihr konstantes Lügen verraten. Die Wahrheit ist halt immer hinterfragbar, differenzierend und verändert sich auch von Zeit zu Zeit. Damit kann man keine dauerhafte Herrschaft, welche das Gehirn der Massen zugunsten niedriger Instinkte ausschalten will, begründen. Und so ist das Lügen das Allererste, was ein Autokrat sich vom anderen, bereits erfolgreichen, abschaut.

Das beginnt schon beim Bürgermeister einer kleinen Gemeinde, der entdeckt, dass er dem lästig nachfragenden Bürger nur treuherzig in die Augen schauen muss, wenn er ihm versichert, dass man da leider nichts machen könne, dass halt leider die Bestimmungen … etc. etc., bis hin zum allerdemokatischesten Regierungschef, der sich, wenn es unbequem wird, auf die EU herausredet, ohne zu erwähnen, dass er (fallweise auch sie) die EU-Gesetze mitverhandelt hat. Wer stellt sich schon gerne hin und lässt sich auf eine eingehende Diskussion ein, wenn sich der Kritiker mit einer einfachen Lüge abwimmeln lässt?

Systematisch wird das Lügen dann, wenn sich ein Herrscher ohne konstante Wahrheitsverdrehung nicht mehr an der Macht halten kann. Wir schauen gerade zu, wie ehemalige Demokratien (oder zumindest Staaten auf bestem Wege dorthin), wie Dominosteine in verlogene Autokratien kippen: Ungarn, die Türkei, womöglich Israel … Und wie überall im Westen rechtsradikale Parteien sich mit autokratischer Absicht ins Lügen einüben.

Und an den totalitären Staaten sehen wir auch, wohin die systematische Lüge letztlich unweigerlich führt: zu Angst und Menschenverachtung, zu Gewalt und Krieg und zuletzt zum Verlust von in Jahrhunderten mühsam erworbener Zivilisation.

Was lässt sich dagegen tun? Meinungsfreiheit und Redefreiheit sind schließlich eines der höchsten Güter ebendieser Zivilisation. Da gibt es nur eines: Reden, reden, reden. Fragen, nachbohren und richtigstellen. Aufdecken und weitersagen. Sprache ist letztlich die beste Waffe gegen Unterdrückung, die wir besitzen. Doch sie wirkt nur präventiv. Haben sich einmal die Lügen und das Schweigen drumherum durchgesetzt, zählt nur noch Waffengewalt. – Auch das muss wieder und wieder und laut gesagt werden.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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