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Tag der Arbeit

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Nie hört man mehr Staubsauger, Rasenmäher, Schlagbohrer und Motorsägen in der Nachbarschaft als am arbeitsfreien 1. Mai.

Dagegen findet keiner mehr Zeit und Muße, um auf die früher vielgeliebten Maiaufmärsche zu gehen und im Anschluss in sozialistischer Faulenzerei Bier und Schnitzel zu genießen. Das ist aber nicht die Schuld der Sozialisten und auch nicht die des meist miserablen Wetters. Man kehrt einfach nur zur wörtlichen Definition von „Tag der Arbeit“ zurück.

Nach Kluge´s Etymologischem Wörterbuch bedeutete das Wort „Arbeit“ ursprünglich ja „Mühsal, Not“. Also ist Arbeit das, was aus Not verrichtet wird – das Notwendige. Im Althochdeutschen wurde der Begriff dann vorwiegend mit Ackerbau in Verbindung gesetzt. Deshalb roboten wir auch heute noch am liebsten am „Tag der Arbeit“ im Garten, so wir einen besitzen.

Und während man so unbezahlt und gegen alle Vorschriften am Feiertag werkelt, wird einem plötzlich bewusst, warum manche Arbeit eben teuer entlohnt werden muss und andere nicht. Was wir an „freien“ Tagen tun, ist nämlich notwendig, aber gerade dadurch auch befriedigend. Was dagegen ein Investmentbanker, Vermögensberater oder Aufsichtsrat eines staatsnahen Konzerns in seinen Bürostunden treibt, dessen Sinnhaftigkeit ist nicht leicht zu ergründen — und Mühsal ist es auch nicht. Deshalb müssen diese Jobs auch so übermäßig bezahlt werden.

Man würde das sonst nie und nimmer als vernünftige Arbeit ansehen. Und deshalb muss man andererseits Pflegepersonen, VerkäuferInnen, Paketauslieferer, BuslenkerInnen, Unterrichtspersonal, KünstlerInnen und alle, die fein für und mit Menschen arbeiten, kaum mit Geld entschädigen, denn sie nehmen die sinnvolle und notwendige Anstrengung ja freiwillig auf sich und haben womöglich sogar Freude daran. Und erst recht trifft das auf die weibliche „labour“ und „travail“ der Mutterschaft zu. Deshalb hat logischerweise auch alle Folgearbeit, die Mütter ein Leben lang leisten, gratis zu sein.

Am 1. Mai wird uns einmal im Jahr bewusst, dass mühevolle echte Arbeit – gerade weil sie notwendig und daher sinnvoll ist – Freude bereitet. Nur blöd, dass es sich eingebürgert hat, genau jene Tätigkeiten in Geld wertzuschätzen, die unsinnig oder gar schädlich sind. Wenn wirklich alle Niedrig- und GratislöhnerInnen, die die notwendigen Arbeiten verrichten, sich an diesem einen Tag im Jahr bei Bier und Schnitzel vergnügten, würde unsere Welt zusammenbrechen. Die hoch entlohnten sogenannten „Führungskräfte“ dagegen könnten wochenlang zuhause bleiben. Keiner würde es bemerken.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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