(c) Helmuth Schönauer

Der Rezensier-Workshop

3 Minuten Lesedauer

– Als Kind hat man mir immer einen Wurstzipfel aus der Theke heraus zugeworfen wie einem Hund. Heute würde ich einen QR-Code zugeworfen bekommen, auf dem eine Wurst-App codiert ist.

Der Workshop-Leiter beginnt mit einem fulminanten Beispiel, in dem ein Wurstzipfel die Hauptrolle spielt.

– Merken Sie sich! Bei Fallbeispielen die grausigen Wörter immer verstecken, am besten mit einem QR-Code, dann haben Sie gleich ein ablenkendes Medium, das Sie aus der Schusslinie feindlicher Argumentation nimmt.

Der ziemlich angenehm auftretende Rezensent hat im echten Leben außerhalb des Workshops schon so manchen Verkauf eines Buches durch harte Kritik unterbunden.

Jetzt wird er nach der Wirksamkeit seiner Vergleiche und Bilder  gefragt, warum so etwas Mickriges wie ein Satz eine Kaufentscheidung beeinflussen kann.

– Nehmen Sie nur den Titel unserer Veranstaltung.
Rezensier-Workshop ist:
erstens durchgegendert,
zweitens glücksverheißend 
und drittens assoziativ. 
(Denken Sie nur an Rezensur oder Rasur.)

Der Referent sagt, dass man immer mit indirekten Bildern arbeiten muss, denn die direkte Wahrheit wäre niemals auszuhalten.

Und als Beleg nimmt er die berühmte Schasfrage her, die hier erstmals exklusiv abgedruckt werden darf.

Schasfrage
Was ist für Nachrichten relevanter?
– Ein Mann lässt einen Schas.
– Eine Frau lässt einen Schas.

Ästhetische Nachfrage
Was ist anmutiger?
– Eine schöne Frau lässt einen schiachen Schas.
– Eine schiache Frau lässt einen schönen Schas.
– Ein schöner Mann lässt einen schiachen Schas.
– Ein schiacher Mann lässt einen schönen Schas.

Und jetzt für Sie die Aufgabe beim Workshop:
Diskutieren Sie bitte das Fallbeispiel anhand von LGTPQ.

Allein schon wegen der Schasfrage hat sich der Workshop für alle Beteiligten gelohnt, die Teilnehmenden arbeiten wie besessen an der Problemstellung und wissen bald nicht mehr, was das Thema ist.

Der Rezensent lächelt beinahe vergnüglich, als er das Publikum mit einem elementaren Rentnerwitz entlässt.

Rentner A: Du schaust heute so gequält.
Rentner B: Weil ich nicht weiß, wo ich den Frühstückskaffee trinken soll.
Rentner A: ??? (= LGPTQ)
Rentner B: Ich muss zum Kaffee immer ein Fürzchen lassen, deshalb trinke ich den Kaffee am liebsten zu Hause. Andererseits kommt zu Hause kein Fürzchen, weil mich niemand dabei hört und es sich in sich selbst verklemmt. 
Also müsste ich außer Haus den Kaffee trinken, aber da kommt dann sofort das Fürzchen und zerschellt in der Stille. Das ist mir unangenehm. 

Denken Sie beim Lesen immer daran, wo Sie es tun!

(Applaus aus Dutzenden von Händen, die mit den Innenflächen Fürzchen machen.)

STICHPUNKT 23|49, geschrieben am 29. Mai 2023

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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