Politiker lieben Dialekt. Besonders die Tiroler. Nein, nicht wegen der Volksnähe. Sondern wegen des tollen Vokabulars und der urigen Schimpfwörter, wegen der in schriftlichen Protokollen nicht wiederzugebenden Aussprache, wegen der manchmal nötigen Unverständlichkeit des Gesagten, und weil man im Dialekt einfach eindrucksvoller herumbrüllen kann als in der Hochsprache.
Am Tiroler Dialekt sind in Österreich schon etliche Prozesse wegen Ehrenbeleidigung gescheitert. Zur Erinnerung:
2007 bezeichnete LH Van Staa in einer Rede vor dem Deutschen Alpenverein Joschka Fischer, den damaligen deutschen Außenminister, als „Schwein“. Ötztaler Aufdecker Markus Wilhelm veröffentlichte einen MP3-Mitschnitt dieser Ansprache im Internet, mit der Aufforderung, sich selbst ein Bild zu machen. Das endete in dem Prozess wegen übler Nachrede. Van Staa erklärte, er habe in Wahrheit „Schweigen“ gesagt. Es kam zu einem jahrelangen (letztlich vergeblichen) Prozess wegen übler Nachrede . Nicht gegen Van Staa, sondern gegen den Aufdecker des internationale Wellen schlagenden Skandals. * Bis heute wissen eingeborene Tiroler zwar genau, was der LH damals sagte und dass das nicht sehr vornehm war, aber für die am Hochdeutschen orientierte internationale Diplomatie blieb das Ganze letztlich zur Zufriedenheit aller juridisch und faktisch ungelöst.
- Auch LR Geisler tat sich mit einer Aside-Benennung der LH-Stellvertreterin Ingrid Felipe als „widerwärtiges Luder“** hervor, was dummerweise vom ORF aufgezeichnet wurde. Geislers Erklärung, dass es sich dabei nur um eine typisch tirolerische, humorig-liebevolle Bezeichnung gehandelt habe, war im ORF-Mitschnitt aus seiner und Felipes höflich eingefrorener Mimik jedoch nicht eindeutig zu widerlegen. Also blieb auch das eine für ewig ungeklärte Interpretationssache.
- Und im Vorjahr hat der ehemalige Abgeordnete und als „Tiroler Urgestein“ politisch stets für unverständliche Ausrutscher gute Hörl dialektal zugeschlagen. Er war angeklagt, bei einer Veranstaltung des Bauernbundes zur – gesetzlich damals rigoros verbotenen — Wolfstötung aufgerufen zu haben. Hörls Aussage lautete: „Schiaßn, wos geht! Eingraben wos geht!“, woraus sein gewiefter Rechtsanwalt dann aus dem „was geht“ ein „wo es geht“ herauslas. Na gut, der Rest der Rede handelte dann ja auch noch vom „Eingraben“, dafür war leider kein Hörl´sches Dialektwort verwendet worden, sodass die Verteidigung hier auf „mangelnden Tatvorsatz“ und „aufgeheizte Stimmung“ plädieren musste, was aber zusammen mit dem umgedeuteten „wo´s“ letztlich für den nötigen Freispruch reichte.
- Doch die Wichtigkeit des urigen Tiroler Dialekts wird in Zukunft weit über solche juridischen und diplomatischen Ausrutscher hinausgehen. Will sich einer, egal ob im öffentlichen Leben oder als Privater, in Hinkunft gegen die Handyüberwachung durch den österreichischen Geheimdienst wie auch gegen die systematische Ausbeutung aller seiner Aussagen für die Spracherkennungsmodelle der KI-Konzerne wappnen, sei ihm angeraten, in Hinkunft nur noch auf Tirolerisch zu kommunizieren, und zwar möglichst urig auf Koadlacklerisch, Zillertaler- oder Ötztalerisch. ***
- Schon Andreas Hofer wusste: Mit der – materiellen wie verbalen — Mistgabel und dem Tiroler Dialekt kannst du dich jeder Weltmacht entgegenstellen!
*) Nachzulesen: http://www.dietiwag.at/index.php?id=3550
**) S. auch Alpenfeuilleton-Beiträge vom Juni 2020: https://www.afeu.at/meinung/2020/06/18137/was-lr-geisler-und-apres-ski-bars-gemeinsam-haben/ und https://www.afeu.at/meinung/2020/06/18162/das-schimpfen-im-zeitalter-seiner-technischen-reproduzierbarkeit/
***) Bitte dann aber keine Dialekt-Wörterbücher offen ins Netz stellen! Sonst geht es uns wie den Fahrenden mit dem Rotwelsch. Geheimsprachen sollen nun einmal für Nicht-Stammeszugehörige geheim bleiben!