Du fragst mich, was Glaube ist #34

30. Juni 2017
1 Minute Lesezeit

Vorbild sein
Ich bin ja mehrfacher Tauf- bzw. Firmpate; eine Aufgabe, die ebenso schön wie verantwortungsvoll ist. Schön, weil man das Vertrauen der Eltern genießt und ihre Erlaubnis hat, am Leben ihres Kindes (entscheidend) teilzunehmen; verantwortungsvoll deshalb, weil man auf verschiedenen Gebieten seinem Patenkind zur Seite stehen und ihm in den unterschiedlichsten Lebensphasen ein Vorbild sein soll: Zum Beispiel im Glauben!
Aber was heißt das? Wie geht: vorbildlich glauben?
Ehrlich gesagt, tappe ich bei dieser Frage ziemlich im Dunkeln, denn: Ich bin kein Heiliger, sondern ein Sünder, und muss mich daher immer wieder fragen: Tauge ich zum Vorbild? Kann ich den Glauben überhaupt glaubhaft machen?
Dazu eine andere Lebenserfahrung: Vor einiger Zeit durfte ich ein paar kurze Vorträge übers Scheitern im Beruf halten; was sich wenig schmeichelhaft für mich anhört, hat aber durchaus einen positiven Effekt: Den Zuhörern wird dabei nämlich die Angst vor eigenen Fehlern genommen, und Mut gemacht, sich ein Ziel nicht dadurch zu verbauen, nur weil man die ersten Hindernisse etc. nicht auf Anhieb geschafft hat.
Gleiches gilt für den Glauben und auch für dessen Vermittlung: Ein Vorbild muss nicht perfekt sein, sondern nur vorleben; und Leben heißt auch Fehler zu machen. Im Konkreten bedeutet das: Der Glaube ist nicht dann am glaubhaftesten, wenn man sich nur stur an alle Gebote und Vorschriften hält, man jeden Sonntag in die Kirche geht, um dort in der ersten Bank zu sitzen, und andere dazu anhält im Gehorsam alles mitzumachen. Der Glaube ist dann am glaubhaftesten, wenn er Teil des Lebens ist, er hilft, dieses zu verstehen und jenes besser annehmen zu können, und wenn er den Sünder nicht verdammt, sondern gerade an ihm seine Barmherzigkeit übt usw.
Mit anderen Worten: Wer Vorbild des Glaubens sein will (sei es für sein Patenkind oder einen anderen Menschen), der kann Mensch bleiben; ein Geschöpf, das irrt, zweifelt und fehlt, aber im Vertrauen auf Gott und dessen ewige, gütige Liebe immer wieder zurückfindet auf den geraden Weg.
Martin Kolozs, 27. Juni 2017
 
(Die nächste Folge erscheint zur Monatsmitte Juli 2017)

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