Warum ihr diese Woche dringend ins "Early Bird" schauen solltet!

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Ich verfolge das Early Bird jetzt schon sehr lange. Eigentlich schon so lange, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann wie es war, als es das „Early Bird“ noch nicht gegeben hat. Lange Zeit war es wie ein zweites Wohnzimmer für mich. Ein Ort, an dem ich mich überaus wohlfühlte und dem ich immenses Potential zuschrieb.
Über die Zeit kam dann ein wenig die Ernüchterung. Meine Kritik am Konzept war nur allzu deutlich: Zu viel von allem. Zu viele Konzerte, zu wenige konstantes Niveau. Aber ich habe auch immer davon geträumt, wie das „Early Bird“ sein könnte. Als Utopie. Es hat mich zwar manchmal enttäuscht, immer aber wieder auch überrascht und begeistert. Ich habe immer auch wieder das Potential gesehen, gehört, ganz direkt und unmittelbar vor Ort wahrgenommen. Die Möglichkeiten, die mit diesem Raum einhergehen gespürt. Vielleicht ist es tatsächlich ein Ort, der sich als sogenannter Freiraum bezeichnen lässt. Auch wenn das eine Worthülse geworden ist: Hier trifft sie noch punktgenau.
Denkbar war hier immer viel: Von Jazz über Singer-Songwriter bis hin zu radikalen Klangexperimenten. Die einzige Konstante war, dass es keine Konstante gab. Vielleicht dafür aber diesen roten Faden: Es handelte sich immer um Live-Musik und zumeist auch um Musik, die in Innsbruck ansonsten kaum Platz fand. Das gute an der Sache ist also zugleich schon das Kippmoment. Nicht die Buntheit an sich war und ist das Problem, sondern das Arrangieren und das Konzipieren dieser Buntheit und immensen Vielfalt.

Das "Early Bird" in Innsbruck. Ein hochinteressanter "Freiraum"! (Bild:  all-inn.at)
Das „Early Bird“ in Innsbruck. Ein hochinteressanter „Freiraum“! (Bild: all-inn.at)

Wie geht man mit einer Buntheit um, die sich nicht mehr auf einen Nenner bringen lässt? Lässt man sie einfach „Sein“? Selbstverständlich schleichen sich dann in die bloße, nicht oder kaum kuratierte Buntheit immer auch wieder Bands und Musiker ein, die kaum oder nicht nennenswert sind.
Was machen diese mit der „Marke“ Early Bird? Tun sie dieser gut oder schaden sie ihr? Akzeptiert das Publikum dieses variierende Niveau? Oder bleibt es den Konzerten dann zunehmend fern? Ich habe bis heute keine überzeugende Antwort darauf gefunden. Ich weiß nur, dass das „Early Bird“ wichtig ist. Wichtig für Innsbruck. Wichtig für mich. Wichtig als Raum, der sich hin und wieder zu seinem Idealzustand hin bewegt.
Das „Early Bird“: Ein Raum, der vieles ermöglicht…
Hin und wieder scheint sich etwas zu formen, fast wie von selbst. Ich bin mir fast sicher, dass Florian Tschörner, der Kopf hinter dem Early Bird, genau diese Haltung im Sinn hat. Das Early Bird ist für ihn kaum Raum der strengen Selektion, sondern auch ein Raum, der vieles ermöglicht. Er ermöglicht es Musikern, ihre ersten Auftritte zu haben und dieser Ort lässt auch sehr stark schwankendes musikalisches Niveau zu.
Wem steht es aber eigentlich zu, über dieses zu urteilen? Die Welt besteht nicht nur aus musikalischen Ausnahmebands. Das Early Bird ist damit auch eine Location für Bands und MusikerInnen, um ihre ersten musikalischen Schritte zu versuchen. Das kann man aus Publikumssicht kritisieren. Und ich bin mir auch nach wie vor nicht sicher, ob dieses Konzept des mehr oder weniger selektionslosen Wildwuchses funktioniert. Aber ist bringt immer wieder auch einige erstaunliche Perlen zum Vorschein.
Das "Akku Quintet": Für mich das Highlight dieser Woche im "Early Bird." Ach was: In der ganzen Stadt!
Das „Akku Quintet“: Für mich das Highlight dieser Woche im „Early Bird.“ Ach was: In der ganzen Stadt!

Wie gesagt: Manchmal findet im Early Bird einfach etwas zusammen. Bei der ganzen Fülle und Überfülle kulminiert etwas in manchmal atemberaubend guten Konzertwochen. Dann jagt ein Highlight das nächste. Das passiert nicht jede Woche. Manchmal muss man sich auch mit „nur“ Gutem oder gar mit „Mittelmäßigem“ zufrieden geben.
Aber diese Woche ist wieder so ein Zeitraum. Ab Mittwoch muss man in Innsbruck als Liebhaber von interessanter Musik eigentlich nirgendwo anders sein als im „Early Bird“. Dann ist plötzlich alles möglich und die Buntheit drückt sich nicht in einem Sammelsurium aus, sondern bei drei Bands, in denen sich die Buntheit und Vielfalt der Musikwelt und der musikalischen Möglichkeiten spiegeln.
Das ist für mich der Idealzustand: Vielfalt spiegelt sich nicht im Prinzip des Möglichst-Viel, sondern in der Thematisierung der Vielfalt und der Möglichkeitsräume in der Musik der auftretenden Bands selbst. In dieser Hinsicht wäre für mich manchmal weniger mehr. Ein gutes Konzert einer Band, die eine Vielzahl von Einflüssen vereint ist für mich mehr wert, als an 4 Tagen nacheinander ein möglichst breites Spektrum an musikalischen Möglichkeiten abgedeckt bekommen zu haben. Ja, ich träume immer noch von der Band, die so gut wie alle möglichen musikalischen Einflüsse zu einer neuen, einzigartigen und bunt schillernden Musik verwebt.
Das ist natürlich, abermals, vollkommen utopisch. Aber diese Konzertwoche im Early Bird kommt mit lediglich drei Bands dieser Utopie schon verdächtig nahe. Am Mittwoch den 15.04. eröffnet schon mal das „Open Source Trio“, das ihrem Namen wirklich alle Ehre macht. Hier bedient man sich aus einer solchen Unzahl an Einflüssen, dass es eine wahre Freude ist. Latin, Funk, Jazz oder was weiß ich noch alles. Alles da, da da. Und alles auch noch wunderbar auf den Punkt gebracht mit dem notwendigen Händchen für Freiheit und Experimentierlaune. Respekt und absolute Empfehlung meinerseits.
Eröffnen den Konzert-Reigen: Das "Open Source Trio"!
Eröffnen den Konzert-Reigen: Das „Open Source Trio“!

Für mich das Highlight der Woche ist aber das „Akku Quintet“ (16.04.). Erstaunlich wie hier „Jazz“ neu interpretiert wird! Jazz, der eigentlich kein Jazz mehr ist und vielleicht auch gar nie gewesen ist. Vielleicht ist das auch eine seltsame, komplexere Version von Rockmusik? Vielleicht haben einige der Melodien auch das Potential ins Ohr zu gehen und tagelang als Ohrwürmer dort zu bleiben?
Eines ist dabei aber interessant: Diese Musik wirkt leicht, schwebend, vor allem aber auch einladend, nie aber einlullend. Der Schlagzeuger spielt dabei Beats, die so einfach gar nicht sind. Ganz im Gegenteil. Dieser Mann schöpft aus dem Vollen der rhythmischen Möglichkeiten. Sein Spiel und generell das Spiel der Band wirkt aber niemals angestrengt oder gar kopflastig.
Alle Musiker verfügen voll über ihre musikalischen Mittel und habe es gar nicht nötig, mit Virtuosität beeindrucken zu müssen. Sie setzen gekonnt ein, sparsam und im richtigen Augenblick. Damit entsteht Musik, die einen enormen Sog hat und die eigentlich jeder und jedem gefallen kann, der schlicht und einfach auf gute Musik steht. Man muss definitiv kein Jazzer oder Liebhaber komplizierter Strukturen sein, um dieses Quintett zu lieben.
Am 17.04. legt die Band „Ikarus“ noch mal nach. Ich behaupte einfach mal: Wer auf dem Label von Nik Bärtsch herauskommt, der kann schon mal nicht ganz schlecht sein. Und diese Band hier ist sogar richtig gut, zumal hier sowohl klassische Musik als auch poppiges zitiert und verwurstet wird. Abermals natürlich wieder ohne Beliebigkeit, sondern mit einer immensen Gezwungenheit und Stringenz.
Was bleibt mir also zu sagen: Eigentlich nichts außer: Wenn ihr das „Early Bird“ wirklich so kennen lernen möchtet, wie es im allerbesten Falle dauerhaft sein sollte, dann müsst ihr eigentlich von Mittwoch bis Freitag eben dort sein. Ich kritisiere das „Early Bird“ nämlich immer mal wieder gerne, kann aber bei diesen drei Konzerten in dieser Abfolge absolute kein Haar in der Suppe finden. An diesen drei Tagen wird Innsbruck zu einer Großstadt. Zu einer Stadt, in der man jeden Abend ein fantastisches Konzert in intimem Rahmen gehen kann. An diesen Tagen ist grundsätzlich alles möglich, vor allem musikalisch.
Dass danach alles wieder zurückfällt und ich wieder merke, dass ich in Innsbruck bin: Geschenkt, damit muss ich leben. Vorerst aber freue ich mich auf diese drei Tage, an denen wirklich alles zusammenkommt. An denen ich das Potential des „Early Bird“ aufs trefflichste verwirklicht sehen werde. Vielleicht muss ich auch nur meine Ansprüche herunterschrauben? Oder vielleicht gilt es einfach die Perlen aus dem unglaublichen Dichten Jahresprogramm herauszupicken? Ich habe noch keine überzeugende Antwort für mich gefunden. Ich weiß nur, dass es eigentlich keine Entschuldigung dafür gibt, dass ich diesem Lokal in den letzten Monaten immer mehr fern geblieben bin. Vielleicht aus Überforderung und der Unfähigkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen und zu selektieren?
Vielleicht auch, weil es sonst so viele Konzerte und Möglichkeiten gegeben hat? Aber in den besten Zeiten braucht es eigentlich, und das wird mir in dieser Woche wieder mal klar, nicht viel mehr als nur das „Early Bird“. Weil dort alles passiert, was gut ist. Manchmal.

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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