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Danke Corona – Drei Tipps

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Häufig kann man hören, dass man eine Krise auch als Chance begreifen soll. Heißt mit anderen Worten, dass wir aus jeder noch so misslichen Lage das Beste machen sollen. Nun kann man mit Fug und Recht behaupten, dass wir uns seit knapp einem Jahr in einer sehr misslichen Lage befinden.

Ich gehöre zu jenen Menschen, die für jeden Tag eine bestimmte Struktur benötigen. In der Früh beim Aufstehen brauche ich zumindest einen ungefähren Plan, was ich untertags vorhabe.
Der Virus, die Lockdowns, die ganzen Vorgaben etc erforderten für mich, dass eine Umstellung hermusste. Unter anderem half mir dabei, wie schon häufig in meinem Dasein, die Literatur, konkret mein Bücherregal. Daraus habe ich einige Bücher herausgeholt, um die ich seit Jahren einen Bogen gemacht habe, weil sie mir im Moment einfach zu umfangreich waren. Jetzt hatte ich genügend Zeit. Grundsätzlich bin ich kein großer Liebhaber dicker Bücher, weil ich nicht zu den Schnelllesern gehöre und ewig für solche Wälzer benötige. Konkret ging es um drei Titel: Einmal um „Böse Geister“ (Neuübersetzung von „Die Dämonen“) von Dostojewski, dann der Roman des Amerikaners Richard Russos, „Diese gottverdammten Träume“ und als drittes das Buch des chinesischen Nobelpreisträgers Mo Yan (Pseudonym für Guan Moye) „Der Überdruss“. Alle drei Romane gewaltige Backsteine, jeder über achthundert Seiten stark.

Eigentlich handeln alle drei Bücher von großen gesellschaftlichen Umbrüchen. Bei Dostojeweski, wo die alte russische Welt in eine „gottlose“ Zukunft steuert. Bei Russo (Jg 1949), wo der amerikanische Mittelstand in die Brüche geht und Trump vor der Tür steht und bei Mo Yan (Jg 1956), der die Zeit der großen revolutionären Umstürze Chinas in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf großartige Weise erzählt.

Wieder einmal ist mir bei der Lektüre bewusst worden, wenn ich eine Gesellschaft, eine Zeit, einigermaßen verstehen will, dann bietet die Literatur immer noch den besten Zugang. Jedenfalls verdanke ich Corona diese einmaligen Leseerlebnisse und da ich davon ausgehe, dass wir noch so manchen Lockdown erleben werden, kann ich nur jedem empfehlen, die Zeit nicht totzuschlagen, den Tag „umzubringen“, sondern sich am Bücherschrank zu bedienen.

Jedenfalls kann ich diese drei Bücher empfehlen, weil sie wahre Schätze der Literatur sind. Sie verschafften mir Einblicke in Gesellschaften, die die üblichen Medienberichte nicht bieten, Die Lektüre war für mich und mein Verständnis ein enormer Gewinn und jeden Tag hatte ich mich auf mein Pensum von zwanzig bis dreißig Seiten gefreut.

Elias Schneitter, geboren und aufgewachsen in Zirl/Tirol. Lebt in Wien. Erste Publikationen ab 1976, vorwiegend in Literaturzeitschriften (Fenster, Rampe, Wespennest, Kolik, Literatur und Kritik, protokolle, etc...) und Hörspiele im Rundfunk. Zur persönlichen Website
Mitbegründer und Kurator des internationalen Literaturfestivals "sprachsalz" (www.sprachsalz.com) in Hall Tirol. Zur Sprachsalz Website
Leitung der "edition-baes" - Zur Website, wo der Schwerpunkt auf US-amerikanische Underground Literatur gelegt wird.

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