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„Es wird kalt, weil es wärmer wird“

6 Minuten Lesedauer

Nach diesem interessanten Wahl- und Wahrspruch richtet sich die aktuelle Klimapolitik aus. Der ist deshalb notwendig geworden, weil es entgegen den finsteren Weissagungen der Klimahuber nicht so schnell wärmer werden will, als es eigentlich sollte. Die gültige Theorie denkt sich bekanntlich eine lineare Beziehung zwischen Zunahme des CO2-Gehalts der Luft und der Lufttemperatur, die auf der Erdoberfläche herrscht. Und nachdem der CO2-Gehalt stetig zunimmt, muß dies auch die Temperatur tun, damit das Polareis schmelzen, die kleinen Pazifikinseln untergehen und wir dazwischen in einem Wirbelsturm aus Wetterkapriolen und Wetterkatastrophen um unser Leben fürchten müssen. Laut einschlägigen Vorhersagen hätte das und alles andere Fürchterliche längst eintreffen müssen, bloß hat es das glücklicherweise nicht getan. Nicht einmal das Ausrufen des Klimanotstands durch den Innsbrucker Gemeinderat hat daran etwas ändern können. Was bleibt den Liebhabern des Untergangs, als da irgendwie auf die Tube zu drücken, damit der ursprünglich eingetretene Schreck nicht allzu schnell verfliegt?

Und tatsächlich: diesen Winter gab es einige bemerkenswerte Schnee- und Kälteereignisse, die von den schlechten Menschen, die das große Klimamärchen immer noch nicht glauben wollen, gleich ausgenutzt wurden. Da mußte man gegensteuern, und, man glaubt es kaum: den oben zitierten Satz können sie genau so der Tante Google vorlegen, und sie wird in 0,50 Sekunden zirka 188 000 Ergebnisse dazu ausspucken. Sie können sich das also in aller Ruhe selber anschauen, mit allen Begleiterscheinungen, nicht zuletzt unsachlichen Kommentaren, die wie üblich aus der rechten Reichshälfte kommen, wie „Und zugleich wird es wärmer, weil es wärmer wird!“

Bereits letzten Herbst hatte ich mich an dieser Stelle gefragt, was unsere Meteorologen wohl tun würden, wenn das Jahrzehnt zu Ende ginge und logischerweise das sogenannte „langjährige Mittel“ um 10 Jahre vorrücken müßte. Das langjährige Mittel ist einfach der Durchschnitt der klimatologisch bedeutsamen Meßwerte wie Lufttemperatur oder Niederschlag über 30 Jahre, woraus man eben ein ungefähres Bild von den aktuell herrschenden klimatischen Bedingungen gewinnen kann. Damit hatte man etwa bisher einen gültigen Vergleichswert, der aus dem Schnitt der Jahre 1981–2010 gewonnen wurde.

Wenn man nun – um bei der Temperatur zu bleiben – vom Wert für 1981–2010 um 10 Jahre auf 1991–2020 rückt, so steht zu befürchten, daß die Steigerung zum Bisherigen nicht mehr so dramatisch ausfällt wie bisher. Denn die Jahre bis gegen 1990 waren eher kühler, damals hatten wir einige schneereiche Winter und nicht übermäßig warme Sommer hintereinander. Diese Jahre würden nun aus dem Schnitt herausfallen. In Deutschland wurde offenbar bisher noch der Wert 1961–1990 dafür hergenommen, was noch niedrigere Durchschnittswerte garantierte, und müßte jetzt um die ganzen 30 Jahre springen. Da wurde tatsächlich in aller Öffentlichkeit darüber diskutiert, daß das pädagogisch nicht hilfreich wäre und man besser bei 1961–1990 bleiben sollte. Österreich wartet noch ab. Mitten im Prozeß die Methode ohne Not zu ändern, wirkt nicht übermäßig seriös.

Eine der beim Thema Klimawandel noch ganz und gar ungelösten Fragen betrifft im übrigen die Auswirkungen der Sonnenstrahlung auf das Erdklima. Logischerweise behaupten die Klimahuber, die Schwankungen, denen die Sonnenaktivität periodisch unterliegt, hätten so gut wie keine Auswirkung, während die Anti-Klimahuber annehmen, daß sehr wohl. Anders wäre es schwer zu begründen, daß das Weltklima in früheren Zeiten immer wieder dramatischen Veränderungen unterworfen war. So gibt es etwa die Vermutung, daß periodische Kaltzeiten mit sogenannten Großen Solaren Minima zusammenhängen, die unter anderem daran erkennbar sind, daß keine Sonnenflecken mehr sichtbar sind. Daraus folge eine Reduktion des solaren Magnetfelds und zugleich eine Abnahme der Sonnenaktivität und damit wiederum eine Abkühlung der Erdtemperatur. In ein solches Minimum seien wir mit 2020 eingetreten, das eine Dauer von 33 Jahren habe und dem Maunder-Minimum gleichkomme, einem besonders kühlen Abschnitt der Kleinen Eiszeit um 1700. Wikipedia fängt gleich in seiner charakteristischen Art zu hämmern an (wie immer bei Themen, über die de facto gestritten wird): „Verschiedenen Untersuchungen zufolge würde es die globalen Temperaturen geringfügig – nach besten Schätzungen um weniger als 0,1 °C – absenken und damit die gegenwärtige, vor allem durch Treibhausgasemissionen verursachte globale Erwärmung kaum abschwächen.“

Das sei nun so stehen gelassen, ich weiß es naturgemäß auch nicht, aber ich würde die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, daß etwas dran ist am neuen Maunder-Minimum. Es würde mich zwar – aus reinem Widerspruchsgeist – recht freuen, wenn die Klimahuber unrecht bekommen und es einfach wieder kälter wird statt immer wärmer. Aus allen anderen Gründen, nämlich praktischen und näherliegenden, möchte ich allerdings schon sehr hoffen, daß es zumindest während meiner restlichen Lebenszeit so einigermaßen angenehm hier bleibt, wie es die letzten Jahre eben war. Höchstens bei unserem Tiroler Tropensommer ließe ich über paar Zehntelgrad Abkühlung mit mir reden.

Walter Klier, geb. 1955 in Innsbruck, lebt in Innsbruck und Rum. Schriftsteller und Maler.
Belletristik, Essays, Literaturkritik, Übersetzungen, Sachbücher. Mitherausgeber der Zeitschrift "Gegenwart" (1989—1997, mit Stefanie Holzer). Kommentare für die Tiroler Tageszeitung 2002–2019.
Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a.: Grüne Zeiten. Roman (1998/Taschenbuch 2014), Leutnant Pepi zieht in den Krieg. Das Tagebuch des Josef Prochaska. Roman, 2008. Taschenbuch 2014). Der längste Sommer. Eine Erinnerung. 2013.
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1 Comment

  1. Diese Leugner-Kolumne ist ja nicht auszuhalten. Rangiert jedes Mal sehr treffsicher in der Nähe des unsäglich unsachlichen Kommentars von Martina Salomon, in dem sie beschreibt, dass es ja nicht verkehrt ist, im Herbst „nur mit einem Jackerl beim Heurigen sitzen zu können“… wann werden so konservative Ideen wieder en vogue, dass Menschen bei Themen ihres Faches bleiben um sich dort inhaltlich abzuarbeiten und auszutoben und so Generalismus Journalisten einfach das Schreiben lassen, wenn sie aus Zeit und Wissenschaft gefallen sind. Oder sie setzen sich ernsthaft mit Themen auseinander, die ihnen scheinbar zu wenig geläufig sind, als sich polemisch, abschätzig zu äußern. Es würde der Kommunikationskultur im Allgemeinen nur helfen. Mitleid mit dem Text, kann er doch nichts für seinen Autor.

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