Plattenzeit #93: Joan As Policewoman – Damned Devotion

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Joan as Policewoman, eigentlich ja Joan Wasser, hat auf ihrem aktuellen Album „Damned Devotion“ alles gewagt. Zu nachtschlafener Zeit hat sie komponiert, ab Mitternacht, wenn alles schläft in einer Stadt, die eigentlich niemals schläft. Die New Yorkerin hat dafür erstmalig intensiv mit „künstlichen“ Beats geflirtet. Auf ihrem Album seien daher, so sagt sie in mehreren Interviews, auch Songs gelandet, von denen sie anfangs nicht glaubte, dass sie auf ebendiesem landen würden.
Den Namen „Joan as Policewoman“ wählte sie einst als Unterscheidungsmerkmal zu ihrer Rolle als Violinistin, in der sie unter anderem für Lou Reed tätig war. Auf ihrem Album lässt sie dennoch  tief blicken und verkriecht sich nicht hinter einer fiktiven Kunstfigur. Sie singt von Leidenschaften, von ihrem „dummen Ich“, das sich schon wieder verliebt hat, von der Notwendigkeit einer „Alarmglocke“, die sie immer wieder in ihrem Leben hätte warnen sollen.
Der Titel der Platte legt nahe, dass die Protagonistin aufs Ganze geht und sich ganz weit öffnet. Das tut sie aber nur auf textlicher Ebene. Die wahre Raffinesse liegt in der Musik. Diese hält einen immer wieder auf Distanz, stimmlich exponiert sich Wasser nie, schmeichelt sich vielmehr ein. Diese Diskrepanz zwischen Text und Musik macht einen großen Teil der Faszination aus.
Dazu findet sie Melodien, für die so mancher Popstar töten würde. Auch nach mehrmaligem Hören nutzen sich diese nicht ab und bleiben frisch wie beim ersten Hören. Sie schmeicheln sich ein, ohne schleimig zu sein. Sie sind geschickt konstruiert, finden eine irrwitzige Balance zwischen Einfachheit und Anspruch. Vom Genre her lässt sich ihre Musik absolut nicht zuordnen. Soul ist genauso präsent wie  David Bowie, wie Funk, wie Elektro-Spielerei wie Avantgarde wie absolute Zugänglichkeit.


Fazit


Vorsicht ist geboten, wenn man von einem „Meisterwerk“ spricht. Im Falle des Albums von Joan Wasser scheint diese Zuschreibung aber nur angemessen. Zu süchtig machen diese Songs, zu klug ist deren Aufbau und zu subtil-verführerisch der Grundton. Dieses Album wird bleiben und verlangt danach immer wieder gehört zu werden.


Zum Reinhören



Titelbild: (c) Graziella Costa, flickr.com

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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