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Schwierige Zeiten im Kindergarten

Er habe noch nie so eine schwierige Vorschulklasse gehabt, klagt Kindergartenleiter Antonio, wie diese heurige Gruppe G20.

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Er habe noch nie so eine schwierige Vorschulklasse gehabt, klagt Kindergartenleiter Antonio, wie diese heurige Gruppe G20.

Es sei ja ganz normal, dass sich ein, zwei anstrengende, verhaltensauffällige oder unreife Kinder in einer Vorschulgruppe fänden, doch das wurde bisher üblicherweise immer durch die Mehrzahl der altersgemäß entwickelten, netten Kinder in der Gruppe aufgefangen. Doch derzeit kämpfe er mit solchen Schwierigkeiten, dass er schon ans Aufgeben gedacht habe.

Da sei der kleine Wladimir, der, wenn er ein Spielzeug nicht sofort bekommt, dieses einfach kaputtmacht. Zudem behaupte der Bub ständig dummdreist, dass es ein anderes Kind gewesen sei, auch wenn ihm alle dabei zugeschaut hatten.

Dann sei in dieser Gruppe weiters der dicke Viktor, der sämtliche Regeln über den Haufen wirft und einfach selber welche erfindet, wie sie ihm grad passen. Den versuche man jetzt dadurch in den Griff zu kriegen, dass man ihm sein Jausenbrot erst gibt, wenn er wenigstens eine Regel pro Tag einhält.

Der überlaute Regep dränge sich ständig in den Vordergrund. Er sei nur selten für gemeinsames Spielen zu gewinnen, nämlich bloß dann, wenn er sicher sei, dabei zu gewinnen. Der könne einfach nicht verlieren. Ganz wie der kleine Xi, der zwar nach außen hin unauffällig und ein stilles Wasser sei, der die Streitereien der anderen aber immer geschickt schüre und ausnütze, um sich selbst was abzuzweigen, was ihm eigentlich nicht zustünde.

Und es seien leider in der Gruppe auch etliche Kleinwüchsige, wofür sie zwar nichts können, was aber ihre soziale Entwicklung offenbar gestört habe. Etwa Lech, aber auch Wladi konnte man dazu zählen. Bei Giorgia bestand noch Hoffnung, dass es sich auswachsen könnte; die beobachte man derzeit noch. Diese Winzlinge kompensierten ihre mangelnde Körpergröße dadurch, dass sie die bösen Streiche, die sie ausheckten, von ein paar großgewachsenen Rowdies in der Gruppe ausführen ließen, bei denen die geistige Entwicklung hinter dem Körperwachstum zurückgeblieben war.

Kurzum, diese Gruppe heuer war einfach eine Katastrophe. Manche hatte man sogar heimschicken müssen, wie den schwer erziehbaren Donald und den aggressiven Jair, die überhaupt nur taten, was sie wollten. Aber man fürchte jetzt schon, was die, falls sie demnächst in der Volksschule wieder zu der Gruppe stießen, anrichten werden.  Es war zum Verzweifeln. Es schien, als ob in diesem Jahrgang alle Kinder auf der Entwicklungsstufe von Unter-Dreijährigen steckengeblieben waren, wobei man wissen muss, dass der präfrontale Cortex erst ab drei richtig ausreift, sodass ein Kind erst ab diesem Alter kooperatives und planvolles Handeln lernen kann. Aber wenn man dann eine Gruppe Älterer vor sich hat, von denen man mehr Reife erwarten könnte, die jedoch aus lauter – sorry, unprofessioneller Ausdruck! – Arschloch-Kleinkindern besteht, dann kann man nur noch verzweifeln und den Job hinschmeißen.

Antonio war den Tränen nahe. Da wandte ich mich ab. Denn, wenn nicht einmal er als Profi es mehr schaffte, wer konnte da noch helfen?

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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